2. Sonntag nach Trinitatis 05.06.2016 - Fürth-St. Paul
17 Christus ist gekommen und hat im Evangelium Frieden
verkündigt euch, die ihr fern wart, und Frieden denen, die nahe waren. 18 Denn
durch ihn haben wir alle beide in einem Geist den Zugang zum Vater. 19 So seid
ihr nun nicht mehr Gäste und Fremdlinge, sondern Mitbürger der Heiligen und
Gottes Hausgenossen, 20 erbaut auf den a Grund der Apostel und Propheten, da
Jesus Christus der Eckstein ist, 21 auf welchem der ganze Bau ineinandergefügt
wächst zu einem heiligen Tempel in dem Herrn. 22 Durch ihn werdet auch ihr
miterbaut zu einer Wohnung Gottes im Geist.
Liebe Gemeindeglieder,
liebe Schwestern und
Brüder,
1. Frieden in einer friedlosen Welt
Alle Welt ruft nach Frieden, aber es ist kein Frieden. Kein Frieden unter den
Völkern, kein Frieden in den Familien, kein Frieden unter den Religionen. Dabei sehnen wir uns nach Frieden. Können nicht miteinander leben im Hass, mit Mord und
Totschlag, Krieg und Terror. Leben ohne Liebe, Leben in Furcht und Angst
entstellt uns und gibt uns ein ganz böses Gesicht. Solch ein Leben macht uns
körperlich und seelisch krank.
2. Befreit durch Christus
Gott will, dass wir frei sind. Frei von Krieg und Terror, Hass und Zerstörung,
Angst und Sorgen. Durch Christus befreite Menschen. Das gilt für die, die Gott
fern sind ebenso, wie denen, die schon immer Gott nahe waren. (Heute würden wir
sagen: Christlich sozialisiert sind.) Durch Christus sind wir befreite Menschen. Frei von Bindungen und Gebundenheiten. Frei davon, uns
selbst gerecht zu sprechen. Frei von Bevormundung. Frei von der Macht des
Kapitals, vom Egoismus, vom Hass, der Gleichgültigkeit und anderen Mächten die
unser Leben bestimmen wollen.
3. Mitbürger der Heiligen und Gottes
Hausgenossen
Wir sind nicht mehr Gäste und
Fremdlinge, sondern Mitbürger der Heiligen und Gottes Hausgenossen. Wir
gehören dazu. Wir sind Gottes Kinder, die den Vater im Himmel kennen und zu ihm
gehören.
Hausgenossen sehnen sich nach Gemeinschaft, leben mit einander, freuen sich und
trauern mit einander. Und leiden manchmal auch an einander. Aber sie vertrauen
einander.
Mittelpunkt, Zentrum, der Eckstein der alles Zusammenhält ist Christus. Er hat
unsere Bindungen, unsere Sünde und Schuld ans Kreuz getragen, damit wir frei
sind. Ich denke an das was Paulus im Galatherbrief schreibt. Galather 5,1 „Zur
Freiheit hat euch Christus befreit! So steht nun fest und lasst euch nicht
wieder unter das Joch der Knechtschaft zwingen.“ Wir werden keine Gerechtigkeit
vor Gott finden durch Gesetzlichkeit, Selbstgerechtigkeit, Hass oder weil wir
uns vornehmen ein besserer Mensch zu werden. Im Gegenteil, es nimmt uns die von
Christus geschenkte Freiheit. Wir sind Gottes Mitbürger und Hausgenossen, weil
uns Christus durch seinen Tod und seine Auferstehung dazu befreit hat. Liebe
Gemeinde, was könnten wir, zu dem was Jesus für uns getan hat, aus eigener
Kraft noch hinzufügen?
4. Von Christus geschenkte Freiheit
Die von Christus geschenkte Freiheit ist aber nicht bindungslose Freiheit, die
gegenüber niemandem verantwortlich ist und nur für die eigene Lust oder Unlust
lebt. Luther schreibt: „Ein Christenmensch ist ein freier Herr über alle Dinge und niemandem
untertan. Ein Christenmensch ist ein dienstbarer Knecht aller Dinge und
jedermann untertan.“ Freiheit, wirkliche
Freiheit kann nur in Bindung gelebt werden. Und so sind wir als Christen
befreit für ein Leben mit anderen Menschen, in unserer Familie und im großen Haus dieser
Welt, wie Martin Luther King es beschrieben hat:
Ein großes Haus der Welt, in dem wir
zusammenleben müssen:
Schwarze, Weiße, Morgenländer und Abendländer,
Juden und Nichtjuden
Katholiken und Protestanten.
Eine Familie, die in Ideen, Kultur und Interessen zu Unrecht getrennt ist.
Weil wir niemals wieder getrennt leben können, werden wir lernen müssen, in
Frieden miteinander auszukommen.
Alle Bewohner der Erde sind Nachbarn.
Soweit Martin Luther King.
5. Christus ist gekommen
Wir lesen in unserem Predigttext:
17 Christus ist gekommen, um uns Frieden
zu verkündigen, denen, die ihn kennen und denen, die fern sind von ihm.
Jesus will das heilen, was in uns zerbrochen ist: Unsere Unmöglichkeit mit uns
selbst im Frieden zu leben, mit unserem Nachbarn, mit unserer Familie, mit
Gott.
Wir vergeuden soviel Energie und Kraft mit unseren Streitigkeiten, mit unserer
Verletzlichkeit, mit unserem Hunger nach Macht und dem Willen andere
beherrschen zu wollen. Wir vergeuden Energie und Kraft, weil wir uns der Angst
und Vorurteilen hingeben. Kraft, die wir an anderer Stelle dringend brauchen –
ganz aktuell, fremden Menschen gegenüber, die sich zu uns flüchten um
Verfolgung oder Hunger zu entkommen. Dabei sind wir nicht ganz unschuldig an
ihrer Situation. Ohne schlechtem Gewissen haben wir ihre Landwirtschaft
ruiniert und sie zu Billigkräften gemacht, um unseren Wohlstand zu mehren. Wir
haben glänzende Geschäfte mit Waffen gemacht, vor welchen sie jetzt auf der
Flucht sind. Sie haben um Hilfe gerufen, aber unsere Ohren sind taub. Jetzt
kommen sie zu uns, weil unsere Hilfe nicht zu ihnen kommt.
6. Aufschrei
Norbert Blüm, Minister im Kabinett Kohl, schreibt in seinem Buch „Aufschrei!
Wider die erbarmungslose Geldgesellschaft“, ein Kapitel über „Vorteilssuche als
Weltformel“. Er zitiert darin den US-amerikanischen Ökonomen Garry S. Becker:
„Der Mensch ist ein Vorteilssucher, sonst nichts.“ Das bringt Blüm zu der
Frage, wer uns davor rettet, dass unser ganzes Leben eine Kalkulation von
Vorteilen wird.
„Kein Handschlag ohne vorherige Berechnung, welche Vorteile damit verbunden
sind. Keine Freundlichkeit, ohne vorher zu überlegen, was sie mir bringt.
Selbst Lachen ist nur erwünscht, weil es gesund ist. Nichts gilt, was ‚nichts
bringt‘.“ Und er sieht bei uns die hässliche Fratze der Geldgier. „Während in
der islamische Welt sich eine Regression (eine Rückentwicklung) zum blutigen
Fundamentalismus vollzieht, verflacht der Westen in einem unterhaltsamen
oberflächlichen Konsumismus, dessen letztlicher Lebenssinn die Vorteilsnahme
ist.“
Blüm weist darauf hin, dass sich keine Gesellschaft dauerhaft auf Vorteilssuche
aufbauen lässt. „Ohne Vertrauen bricht die Gesellschaft mit allem, was dazu
gehört, zusammen.
Ohne Vertrauen funktioniert selbst die Wirtschaft nicht. Geld verliert über
Nacht seinen Wert, wenn die Menschen nicht mehr darauf vertrauen, dass es etwas
wert ist. ‚An sich‘ ist Geld eine Null. Denn Geld ist eigentlich ein Vertrag
zwischen seinen Benutzern. Ein Vertrag ist jedoch ein Fetzen Papier, wenn die
Vertragspartner nicht ein Mindestmaß von gegenseitigem Vertrauen aufbringen.
7. Flüchtlinge was nun
Flüchtlinge
was nun? Gibt es für uns einen Vorteil? Wir stehen da und überlegen was wir
machen sollen, mit den vielen Menschen aus anderen Ländern. Sind sie nicht auch
Geschöpfe Gottes, von ihm geliebt? Wir überlegen was billiger kommt. Zäune
bauen und in Kauf nehmen, durch den behinderten Warenverkehr 5% weniger Waren
in andere Länder zu verkaufen, oder Flüchtlinge aufzunehmen und bei uns zu
integrieren?
Was ist für uns nützlicher?
Ist das der Umgang mit Menschen, die Ihrer Heimat beraubt, durch Flucht ihr
Leben gerettet haben, den brutalen Kopfabschneidern der IS, den Bomben und
Gewehren, dem Hunger und der Perspektivlosigkeit ihres Lebens entronnen sind?
Wie können wir die Frage beantworten wo diese Menschen hin sollen? Wo können
sie sich sicher fühlen, ohne Hunger und mit menschlicher Würde leben? Oder geht
uns das nichts an, weil für uns die Nützlichkeitsberechnungen nicht aufgehen?
Was ist unsere Angst vor Flüchtlingen wert gegenüber der Angst, die diese
Menschen erlitten haben und nun ertragen müssen, weil sie zwar ihr Leben
gerettet haben, aber niemand sie haben will?
Warum fällt es uns so schwer darauf zu vertrauen, dass sie nicht kommen, um uns
als Islamisten zu bedrohen und unsere in christlicher Freiheit lebende
Gesellschaft zu zerstören?
8.
Lebendiger Stein, der von den Menschen verworfen ist, aber bei Gott auserwählt
und kostbar.
Meine
provokative These: Sie kommen, um sich als Steine in den Bau einer
christlich-freiheitlichen Gesellschaft einzufügen. Ich möchte das jedenfalls so
glauben. (Bitte verhöhnen Sie mich jetzt nicht als einen von den so genannten
Gutmenschen.) Natürlich kommen auch andere, die nichts Gutes vorhaben. Und für
die dürfen wir genauso beten. Auch für die Schläfer die auf ihre Chance warten
um möglichst großes Unheil anzurichten. Wir haben aber den Vater im Himmel, der
über allem steht. Darum müssen wir uns nicht bestimmen lassen von der Angst vor
Flüchtlingen und was durch sie geschieht oder geschehen könnte. Und wir haben
Christus, der für alle Menschen gestorben und auferstanden ist. In uns lebt der
Heilige Geist, der Menschenherzen wenden und den dreieinigen Gott als liebenden
und mächtigen Gott zeigen kann – auch denen, die zu uns kommen.
Ich wünsche so sehr, dass Gott unsere Herzen anrührt und aus unseren oft toten
und kalten Herzen Edelsteine macht, die nicht nur auf unseren Vorteil und
Wohlstand bedacht sind, sondern anfangen zu lieben und achtsam mit denen
umzugehen, die zu uns flüchten. Lasst uns zusammen kommen um Gott zu loben und
zu preisen. Und lasst uns doch Glauben gegen allen Anschein aufbringen, dass
„wir es schaffen werden“, mit der Hilfe unseres Gottes, der uns diese Menschen
geschickt und vor die Türe gelegt hat. Wir Schulden es ihnen, dass sie Christus
kennen lernen. Amen.