Predigt am Sonntag Quasimodogeniti
1. Mai 2011
Johannes 21, 1-14
Liebe Gemeindeglieder,
liebe Schwestern und Brüder,
1. In dieser Nacht fingen sie nichts
„In dieser Nacht fingen sie nichts!“ Petrus und einige der Jünger waren nicht in Jerusalem geblieben wie die anderen Jünger, sondern zurück in ihre Heimat gegangen, an den See Tiberias. Dort gingen sie wieder ihrem Beruf als Fischer nach, nachdem die Geschichte mit Jesus vorüber war. Jesus gekreuzigt, gestorben, begraben. Petrus erinnert sich immer wieder daran, wie ihn die Frauen erschreckten. Sie hatten eigenartige Geschichten erzählt, dass das Grab leer sei und ihnen Jesus begegnet war. Schnell war er zum Grab gelaufen und welch ein Schreck: Es war leer. Warum, weshalb, wie konnte das sein – Jesus war doch tot, richtig tot. Die Gedanken drehten sich in seinem Kopf – er konnte nicht verstehen.
Aber Fische fangen, das konnte er noch, das war doch sein Beruf. Und dann das: Die ganze Nacht war er mit den anderen draußen auf dem See und sie hatten keinen einzigen Fisch gefangen. Es erinnerte ihn an damals, als ihm Jesus zum ersten Mal begegnet war. Da war er auch die ganze Nacht auf dem See und hatte nichts gefangen. Die Erinnerung daran schmerzte Petrus. Wenn Jesus jetzt hier wäre, dann könnte es wieder so sein wie damals, als sie, weil ER es gesagt hatte, am helllichten Tag nochmal hinausfuhren, obwohl jeder Fischer weiß: kein Fisch geht da ins Netz. Aber sie fingen so viele Fische, dass die Netze zerrissen. Ja, Jesus müsste da sein. Aber das ist vorbei. Endgültig vorbei – Jesus ist tot und sein Leichnam geklaut oder sonst was.
Hören wir die Geschichte, die unser Predigttext erzählt. Er steht bei Johannes im 21. Kapitel:
2. Text
Jesus offenbarte sich abermals den Jüngern am See Tiberias. Er offenbarte sich aber so: 2 Es waren beieinander Simon Petrus und Thomas, der Zwilling genannt wird, und Nathanael aus Kana in Galiläa und die Söhne des Zebedäus und zwei andere seiner Jünger. 3 Spricht Simon Petrus zu ihnen: Ich will fischen gehen. Sie sprechen zu ihm: So wollen wir mit dir gehen. Sie gingen hinaus und stiegen in das Boot, und in dieser Nacht fingen sie nichts. 4 Als es aber schon Morgen war, stand Jesus am Ufer, aber die Jünger wussten nicht, dass es Jesus war. 5 Spricht Jesus zu ihnen: Kinder, habt ihr nichts zu essen? Sie antworteten ihm: Nein. 6 Er aber sprach zu ihnen: Werft das Netz aus zur Rechten des Bootes, so werdet ihr finden. Da warfen sie es aus und konnten's nicht mehr ziehen wegen der Menge der Fische. 7 Da spricht der Jünger, den Jesus liebhatte, zu Petrus: Es ist der Herr! Als Simon Petrus hörte, dass es der Herr war, gürtete er sich das Obergewand um, denn er war nackt, und warf sich ins Wasser. 8 Die andern Jünger aber kamen mit dem Boot, denn sie waren nicht fern vom Land, nur etwa zweihundert Ellen, und zogen das Netz mit den Fischen. 9 Als sie nun ans Land stiegen, sahen sie ein Kohlenfeuer und Fische darauf und Brot. 10 Spricht Jesus zu ihnen: Bringt von den Fischen, die ihr jetzt gefangen habt! 11 Simon Petrus stieg hinein und zog das Netz an Land, voll großer Fische, hundertdreiundfünfzig. Und obwohl es so viele waren, zerriss doch das Netz nicht.
12 Spricht Jesus zu ihnen: Kommt und haltet das Mahl! Niemand aber unter den Jüngern wagte, ihn zu fragen: Wer bist du? Denn sie wussten, dass es der Herr war.
13 Da kommt Jesus und nimmt das Brot und gibt's ihnen, desgleichen auch die Fische. 14 Das ist nun das dritte Mal, dass Jesus den Jüngern offenbart wurde, nachdem er von den Toten auferstanden war.
2. Habt ihr nichts zu essen?
„Habt ihr nichts zu essen?“ Seltsame Frage des Fremden, der am Ufer steht und sieht, dass sie nichts gefangen haben. Beiläufig und einsilbig ist ihre Antwort, ohne ihn weiter zu beachten: „Nein!“ Sie sind ohne einen einzigen Fisch zurückgekommen. Aber der Fremde lässt sich nicht beirren: „Werft das Netz aus zur Rechten des Bootes, so werdet ihr finden.“ Und es wiederholt sich, was Petrus schon einmal erlebt hat – damals: „Da warfen sie das Netz aus und konnten's nicht mehr ziehen wegen der Menge der Fische“. Johannes, der Lieblingsjünger Jesu, begreift als erster was hier geschieht und wer der ist, den sie kaum beachtet hatten: „Es ist der Herr!“
3. Es ist der Herr
Liebe Schwestern und Brüder, auch heute ist uns Jesus oft ganz nahe und wir erkennen ihn nicht. Vielleicht sind wir auch zu beiläufig und in gewisser Weise einsilbig. Verwundert und erstaunt denken wir vielleicht an unseren Schutzengel, meinen „Glück gehabt“, können uns nicht erklären was geschehen ist und sprechen vom Zufall. Aber ER war da, er, der Herr!
Und er ist uns nahe in unserem Nächsten, der allein nicht mehr weiterkommt; Menschen an seiner Seite braucht, die sich seiner annehmen. „Es ist der Herr“, der sich erbarmt und nicht nur zuschaut. „Es ist der Herr“, der unsere Hände braucht als seine Hände, der unsere Liebe und unser Erbarmen braucht, als seine Liebe und sein Erbarmen. „Es ist der Herr“, der uns nahe kommt in einem Menschen, an dem wir nichts mehr menschliches und menschenwürdiges erkennen können. Menschen, vor denen wir uns ekeln, Menschen, die voller Bosheit und Gewalt sind, Menschen, betrunken, voller Gier, getrieben von Sucht, gefangen in ihrem Elend. „Es ist der Herr“, der uns in ihnen begegnet.
4. Das Netz reißt nicht, es hält
Als Petrus klar wird, dass es der Herr ist, den er verleugnet hat, ja geschworen hat, ihn nicht zu kennen, da hält ihn nichts mehr zurück. Er muss hin zu ihm – und zwar so schnell als möglich. Es brennt in seinem Herzen. Er zieht sein faltiges Obergewand an, das umgelegt und mit einem Gürtel zusammengehalten wurde, denn er wollte nicht mit nacktem Oberkörper vor seinen Herrn treten. Dann springt er ins Wasser, obwohl das Schiff schon fast das Land erreicht hatte und watet so schnell es geht ans Ufer zu Jesus. Dort, bei ihm, ist der Ort für sein schlechtes Gewissen, die Not seiner Seele.
Inzwischen ist auch das Boot mit den anderen Jüngern und dem Netz voller großer Fische an Land. Es waren 153. Sie hatten einen reichen Fang gemacht. Welch ein Überfluss, vielleicht aber auch Zeichen, dass noch viele Menschen zum Mahl erwartet werden. Johannes erzählt: „Und obwohl es so viele waren, zerriss doch das Netz nicht“.
Es sind viele, die den von Jesus in die Welt hinausgesandten Jüngern glauben, durch ihr Wort, durch ihr Zeugnis, zum Glauben an Jesus kommen. Viele in aller Welt. Und diese Vielen zerren ganz schön am Netz des Glaubens, aber das Netz reißt nicht, es hält.
Manchmal machen wir uns Sorgen, ob das Netz des Glaubens an den Auferstandenen auch bei uns hier in Deutschland hält. Nicht einmal ein Drittel der bei uns lebenden Menschen nehmen den Auferstehungsglauben noch für sich in Anspruch. Er ist für viele bedeutungslos geworden und doch ist er das Zentrum unseres Glaubens: „Der Herr ist auferstanden! – „Er ist wahrhaftig auferstanden!“ Das Netz reißt nicht, es hält.
Wir machen Erfahrungen von Ermüdung, schwindender Hoffnung, ausbleibenden Missionserfolgen, Streit über Konzepte und Kompetenzen, Entscheidungen für eine bestimmte Seite gegen eine andere u.ä. gehören ebenso zum gegenwärtigen Gemeindealltag, wie Erfahrungen unerwarteter Hilfe, mutmachender Herausforderungen, glaubensstärkender Vielfalt und ökumenischer Einigkeit.
Trotzdem, das Netz reißt nicht, es hält.
5. Kommt, haltet das Mahl – sie wussten, dass es der Herr war.
„Sie wussten, dass es der Herr war!“ „Als sie nun ans Land stiegen, sahen sie ein Kohlenfeuer und Fische darauf und Brot.“ Jesus hatte das Mahl bereitet und aß mit ihnen Brot und Fische. Niemand hatte etwas dazugetan und geholfen. Sie wussten, dass es der Herr war, obwohl ihn niemand gefragt hatte. Die von den Jüngern gefangenen Fische waren nur die Zugabe.
Wie oft meinen wir, dass wir es schaffen müssen Gemeinde zu bauen. Ich weiß nicht, ob wir dabei nicht manchmal unserem Herrn kräftig ins Handwerk pfuschen, weil wir ihn nicht machen lassen. Weil wir vergessen haben, dass er es ist, der Gemeinde baut. „Ohne mich könnt ihr nichts tun“ , hatte Jesus sehr ernst seinen Jüngern gesagt. Was wir können und tun ist nur Zugabe. Wir dürfen ihn machen lassen und hoffen und glauben, dass er es tut. Glaube wächst, weil Gott durch sein Wort zu uns spricht, weil er zu unserem Herzen und in unser Gewissen hineinspricht. Unsere Aufgabe ist: „Kommt, haltet das Mahl!“ Wir müssen nicht kochen. Jesus hat das Mahl zubereitet – er hat die Menschen zubereitet, dass sie glauben können. „Kommt haltet das Mahl!“ Dort ist zu finden, was der Mensch braucht: Vergebung seiner Schuld, Heilung seiner Gottesferne, Gottes Nähe und Freundlichkeit.
„Kommt haltet das Mahl!“ Wir tun das im Heiligen Abendmahl, das Jesus für uns bereitet hat. Wir tun das aber auch immer wieder, indem wir von Jesus erzählen und andere mit seinem lebendigen Wort stärken und seinem Glauben Nahrung geben, damit dieser wachsen kann und in Jesus festen Halt und Tiefe findet. Amen.
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