16.04.2008

Predigt zum Sonntag Kanate 2008

Predigt Offenbarung 15,.2-4

Und ich sah, und es war wie ein gläsernes Meer, mit Feuer vermengt; und die den Sieg behalten hatten über das Tier und sein Bild und über die Zahl seines Namens, die standen an dem gläsernen Meer und hatten Gottes Harfen und sangen das Lied des Mose, des Knechtes Gottes, und das Lied des Lammes: Groß und wunderbar sind deine Werke, Herr, allmächtiger Gott! Gerecht und wahrhaftig sind deine Wege, du König der Völker. Wer sollte dich, Herr, nicht fürchten und deinen Namen nicht preisen? Denn du allein bist heilig! Ja, alle Völker werden kommen und anbeten vor dir, denn deine gerechten Gerichte sind offenbar geworden.

Liebe Gemeindeglieder,
liebe Schwerstern und Brüder in Christus,

am vergangenen Sonntag haben sie wieder gesungen, die Fans des FC Bayern. 5:0 gegen Dortmund, das war Grund zur Freude, Grund zum Singen: Lieder, um die eigene Mannschaft anzufeuern, Lieder um den Gegner zu demoralisieren. Lieder, welche die eigene Freude ausdrücken und eine gewisse Stimmung verbreiten. Aus dem Stadion wird nicht zuletzt durch den Gesang ein, wie man so sagt, emotionaler „Hexenkessel“.

Vor zwei Wochen hatten wir hier, in dieser Kirche, Konfirmation. Das Gotteshaus war gesteckt voll. Ein ständiger Geräuschpegel begleitete das große Fest unserer jungen Leute. Es war nie still im Raum. Viele fühlten sich dadurch gestört. Eigentlich eine beschämende Veranstaltung, obwohl alles mit soviel Liebe vorbereitet und hergerichtet war. Gesungen hat kaum jemand. Vielleicht die Pfarrerin, der Diakon und die Konfirmanden – ein paar Gemeindeglieder, vielleicht. Aber der Mund hat sich bei vielen bewegt, ohne Ende, nicht zum Gesang, sondern zur Unterhaltung. Gut, singen kann man nicht befehlen. Das muss von innen heraus kommen. Singen drückt eine bestimmte Stimmungslange aus. Singen ist Teil meiner Begeisterung und meiner Befindlichkeit. Singen kann Ausdruck guter Laune sein aber auch der Trauer. Nicht umsonst gibt es fröhliche Lieder – aber auch ganz traurige. Wer traurig ist und Probleme hat, dem fällt es schwer, ein fröhliches Lied anzustimmen. Es kommt ihm eher die alte Leier über die Lippen, von dem was belastend ist.

Unser heutiger Sonntag heißt Kantate, zu deutsch: Singet! Singet! Ein Befehl. Den Befehl zu singen gibt es nur bei Militär: Ein Lied, zwei, drei!

Unser heutiger Sonntag fordert uns auf, Gott zu Ehren zu singen. Gott zu Ehren einen Lobpreis zu singen. Ein Lied, das Gott lobt und ehrt. Das Singen muss ja gar nicht musikalisch perfekt sein, aber es muss sich Luft machen, dass ich mich über Gott freue und ihm zu danken möchte. Wie soll ich ihm denn danken, meine Worte sind doch viel zu schwach, zu alltäglich, zu gewöhnlich, abgegriffen. Mit meiner Singstimme kann ich das Lob Gottes aber um ein mehrfaches lauter in die Welt hinausschreien, als mit meiner Sprechstimme. Mit der Musik lässt sich viel mehr ausdrücken, als durch Worte. Aber wir bleiben oft so seltsam stumm! Auch hier im Gottesdienst, wenn dran ist, Gott ein Lied zu singen. Lieber begeben wir uns in die Rolle des Zuschauers, anstatt uns aktiv am Lob Gottes zu beteiligen.

Dabei ist Singen eine wunderbare Gabe Gottes, welche die babylonische Sprachverwirrung aufheben kann, eine Gabe, die uns verändert. Singen verändert unsere Befindlichkeit unsere Psyche und ist auch aus medizinischer Sicht gesund. Gasaustausch und Stoffwechsel werden angeregt. Durch Singen steigert sich unser Wohlbefinden, wir werden beschwingt, Lasten fallen ab, es geht uns gut. Und wenn wir zum Lobe Gotttes singen, dann spüren wir, wie sich auch unser Verhältnis zu Gott ändert. Gott wohnt im Lobpreis. Mit unserem Lobpreis kommen wir direkt vor den Thron Gottes, spüren seine Gegenwart und Nähe. Alles in uns ist angesprochen. Unser Reden unser Schwätzen, in den Gottesdiensten wird viel geschätzt, auch von Pfarrern, wirkt oft belehrend und spricht nur unseren Kopf an, weniger unsere Gefühle.

Singen hat wundersame Kraft und kann tief in unseres Innerstes eindringen. Wir erleben das auch immer wieder an Sterbebetten, wenn Menschen am Ende ihres Lebens angekommen sind.

Ich habe immer wieder mal an einem Sterbebett, im Angesicht des Todes zu singen begonnen:
1. Christus, der ist mein Leben,
Sterben ist mein Gewinn;
ihm will ich mich ergeben,
mit Fried fahr ich dahin.
Philipper 1,21
2. Mit Freud fahr ich von dannen
zu Christ, dem Bruder mein,
auf daß ich zu ihm komme
und ewig bei ihm sei.
4. Wenn meine Kräfte brechen,
mein Atem geht schwer aus
und kann kein Wort mehr sprechen:
Herr, nimm mein Seufzen auf.
6. Alsdann laß sanft und stille,
o Herr, mich schlafen ein
nach deinem Rat und Willen,
wenn kommt mein Stündelein.
7. In dir, Herr, laß mich leben
und bleiben allezeit,
so wirst du mir einst geben
des Himmels Wonn und Freud.

Wenn wir singen, dann einkehrt Frieden ein. Dann dringen die Worte in die Herzen, sind Balsam für unsere Seele und Stärkung in der Todesangst. Plötzlich kehrt auch in einem Sterbezimmer Frieden ein. Dann gehen die Türen zum Himmel auf und lassen uns ahnen, was auf den, der in Kürze unsere Welt verlassen will, wartet – die Freude bei Gott zu sein und in seinem Frieden ruhen zu dürfen. Singen, ist ein Geschenk Gottes, das Sprachen und Kulturen und oft auch unsere Trostlosigkeit und Angst überwindet.

Liebe Gemeinde, schauen Sie, unsere kleinen Kinder an. Sie singen gerne und mit Begeisterung, zu Hause oder in den Kindergärten. Sie singen, wenn sie ganz versunken spielen, sie singen und wir fühlen, dass sie mit sich im Einklang sind, und es ihnen gut geht.

Wie heißen unsere Lieder? Was ist ihr Inhalt? Sind es Spottlieder auf andere oder Lieder, die bestimmte Menschen oder Krieg verherrlichen? Das sind die Lieder der Welt.

Kirche singt immer ein anderes Lied als die Welt. Sie singt das Lied der Anbetung Gottes und des Widerstandes gegen Not und Elend, gegen Leid und Tod. Ich weiß, dass das ein hoher Anspruch ist. Aber an diesem Anspruch sollten wir uns als Kirche messen lassen. Diktatoren lassen sich in Liedern und Kantaten von ihrem Volk bejubeln. Sie lassen Propagandalieder singen bei Massenveranstaltungen oder anderen Ereignissen. Christen setzten gegen alle Propaganda dieser Welt, gegen alle weltlichen Mächte und Gewalten das Bekenntnis ihres Glaubens. Es ist ihre Verantwortung, dass sie dem Willen Gottes gehorchen, sich gegen das Böse stellen und ihm die Macht absprechen und nicht mitmachen, wo Gottes Gebote missachtet werden. Sie singen Lieder auch in Drangsalen und Verfolgung und zeigen damit, wer wirklich die Macht hat und Herr über die Geschichte ist. Sie verunsichern und verwirren damit ihre Unterdrücker, weil diese spüren, dass es eine Macht gibt, über die sie nicht gebieten können. Eine Macht, die Menschen Freude schenkt und Kraft auch im Leiden.

In Max Frischs Theaterstück »Nun singen sie wieder« streiten sich in der ersten Szene Karl und Herbert, zwei deutsche Soldaten. Sie sind Mitglieder eines Hinrichtungskommandos. Karl wird nach der Erschießung von 21 Geiseln, die bis zu ihrem Tod standhaft gesungen haben, schwermütig. In der Folgezeit hört er immer wieder den Gesang der Getöteten. Bis zu dieser Exekution hatte die Zivilbevölkerung vor den feindlichen Soldaten Angst gezeigt und war bereit gewesen, sich selbst zu verleumden. Auch einen russischen Popen zwangen die Soldaten, falsch zu schwören. Herbert, der Kommandant, sagt darauf. »Und der Geist, der höher als unsere Macht sein soll, wo ist er denn? Wo ist er denn, dieser Gott, den sie an alle Wände malen, jahrhundertelang, den sie im Munde führen? Ich sehe und höre ihn nicht!« Darauf erwidert Karl: »Vor einer Stunde haben sie gesungen!«

Karl desertiert schließlich und flieht nach Hause. Dort entdeckt ihn sein Vater im Keller. Als er ihn zur Rede stellt und ihn dringend auffordert, wieder an die Front zurückzukehren, weigert sich Karl. Er fragt seinen Vater, ob er schon einmal auf wehrlose Menschen geschossen habe, die dazu gesungen hatten. Der Vater versucht seinem Sohn mit verschiedenen Argumenten die Schuldgefühle zu nehmen. Als Karl spürt, dass er nicht verstanden wird, beginnt er das Lied der Geiseln zu singen.

Karl singt das Lied der Geiseln. Er spürt die Kraft, die aus dem Gesang kommt und er weiß, dass er niemals mehr auf wehrlose, singende Menschen schießen will und kann. Er hat gesehen, wie die Geiseln ruhig, ohne sich zu wehren, singend in den Tod gingen. Er hat die Botschaft der singenden Menschen verstanden: Ihr könnt uns das Leben nehmen, aber nicht das, was wir im Herzen tragen, den Glauben an Gott und an eine bessere Zukunft. Er hat gesehen, welche Kraft diese Menschen aus ihren Liedern geschöpft haben. - Auch aus der Zeit der Christenverfolgungen in Rom, durch Nero, wird berichtet, dass die Christen gesungen hatten, bevor sie in den Tod gingen.

Heute ist der Sonntag Kantate: Singet! Wir denken an diesem Sonntag voller Dankbarkeit an den Liederschatz unserer Kirche. Sie verherrlichen Gott. Sie loben ihn, der Himmel und Erde geschaffen hat und erhält. Es sind Lieder, die von Gott alles erwarten, Lieder, die ihm alles bringen, Freude und Trauer, Leben und Tod. Wenn wir in unsere Bibel hineinschauen, dann finden wir dort auch einen großen Schatz an Liedern. Ich denke da jetzt ganz besonders an die 150 Psalmen, die das erste Liederbuch von Menschen sind, die an den lebendigen Gott glauben.

Heute haben wir einen riesigen Schatz von Liedern in unseren Gesangbüchern. Viele, viele Lieder sind in den letzten Jahren entstanden. Diese neuen Lieder singen wir bei uns vor allem in den Gottesdiensten im Gemeindehaus. Ich würde uns zum Sonntag Kantate wünschen, dass wir viel mehr singen, dass wir laut singen, unsere Freude über Gott hinausjubeln, damit wir weg kommen von den Trauerliedern des Lebens, das uns manchmal so hoffnungslos und traurig macht. Lieder können unser Herz bestimmen, Lieder können uns fröhlich machen und in unserem Glauben bestärken und gründen. Darum, lasst uns singen – Lieder für Gott singen und nicht die Trauerlieder des Lebens. Amen.

03.04.2008

Ansprache Beichtgottesdienst zur Konfirmation

Gott spricht: Ich habe dich je und je geliebt, darum habe ich dich zu mir gezogen aus lauter Güte. Jeremia 31,3

Liebe Konfirmandinnen,
liebe Konfirmanden,
liebe Angehörige und Gäste,
liebe Schwestern und Brüder in Christus,

es gibt einen, dem du nicht gleichgültig bist. Es ist egal wie alt du bist, ob du Konfirmand oder Konfirmandin, ob du Vater oder Mutter bist, ob du Patin oder Pate bist, ab du Großeltern bist – es gibt einen dem du nicht gleichgültig bist: Gott.

Sicher bist du auch deinen Eltern und Freunden nicht gleichgültig. So wie du sie liebst, lieben sie dich bestimmt auch. Es ist aber doch etwas ganz besonderes, dass wir wissen dürfen: Gott interessiert sich für mich. Er schenkt mir Aufmerksamkeit und Würde und steigert sich sogar zu einem Liebesbekenntnis: Ich habe dich je und je geliebt.

Mir läuft ein Schauer den Rücken hinunter, wenn ich diese Worte höre: Gott liebt mich. Gott liebt mich, bereits mein ganzes Leben lang und er wird mich lieben in alle Ewigkeit. Er liebt mich so wie ich bin, mit allen meinen Gaben und Fähigkeiten. Aber auch mit meinen Grenzen und Unzulänglichkeiten. Gott nörgelt nicht an mir herum, sondern er erzieht mich auf seine Weise, mit Langmut und Geduld und voller Güte.

Liebe Konfirmandinnen und Konfirmanden, morgen werdet ihr bei eurer Konfirmation, bzw. bei eurer Taufe, Ja sagen zu diesem liebenden Gott. Zu ihm, der euch schon geliebt hat, bevor ihr im Leib eurer Mutter wart. Ihr werdet Ja sagen zu einem Gott, der zu euch schon lange sein Ja gesprochen hat. Seine Liebe zu euch ist seitdem keinen Tag abgerissen. Morgen werdet ihr bekennen, dass ihr an ihn glaubt und mit ihm leben wollt. Ich bin sicher, dass ihr lieben Konfis das so in eurem Herzen fühlt und morgen gerne dieses Ja sprechen werdet. Das Fest und die Geschenke sind auch wichtig, aber nicht der Inhalt eurer Konfirmation – ich denke ihr habt das begriffen. Euer Ja zu eurer Taufe, in der euer Name mit Jesus verbunden wurde, das ist der Inhalt eurer Konfirmation. Wir haben uns im Unterricht oft darüber unterhalten.

Dieser liebende und barmherzige Gott will euer ganzes Herz haben. Er, der euch so sehr liebt, will auch von euch geliebt werden, er will, dass ihr ihm vertraut. Darum wollen wir jetzt in diesem Beichtgottesdienst darüber nachdenken, wo wir Gott nicht vertraut haben, wo wir ihn nicht geliebt haben und ihn vergessen hatten. Wir wollen unser Lebenshaus reinigen, und ihn bitten, dass er bei uns einzieht.

Das ist der Sinn dieses Beichtgottesdienstes. Zum Thema Beichten, sind manchmal schreckliche Gedanken, Ängste und Geschichten im Umlauf. Das ist nicht der Sinn der Beichte, einen anderen bloß zu stellen, ihn runter zu machen. Sinn ist, dass unser Verhältnis zu Gott und zu unseren Mitmenschen wieder in Ordnung kommt. Sinn ist, dass wir entlastet und unsere Schuld los werden, dass Heilung in meinem Leben passiert. Beichte hat zunächst dein ganz persönliches Verhältnis zu Gott im Blick und dass daraus dann auch Heilung unserer Beziehungen zu anderen Menschen passiert.

Weil Gott mich liebt und mich neu anfangen lässt, lasse ich auch den anderen neu anfangen und vergebe ihm, wo er mich verletzt hat, wo Ungerechtigkeit war und andere Schuld. Ich lasse es einfach gut sein zwischen mir und meinem Nächsten, trage ihm nichts nach und binde ihn nicht mehr an sein Versagen.

Ich weiß, beichten, das ist ein schreckliches Wort, das einem nicht so leicht über die Lippen geht. Wenn ich etwas beichten soll, dann muss ich mich auch der Sache stellen. Ich muss zugeben, vor mir zugeben, dass es Dinge gibt, die nicht in Ordnung sind und waren. Dinge, die ich bewusst oder unbewusst in meinem Leben zugelassen habe. Dinge, die Gott nicht gefallen, Dinge, die mir nicht gut tun oder meinen Nächsten verletzt haben. Ich denke, dass es uns allen gut tut, wenn wir uns Zeit nehmen und in Gedanken über unser Leben nachdenken und es im Blickwinkel eines liebenden Gottes betrachten, der so gerne mit uns Kontakt hat und unser Leben mit den Strömen seiner Liebe segnet, auch wenn wir immer wieder eigenen Wege gehen und ihn vergessen.

Gott spricht: Ich habe dich je und je geliebt, darum habe ich dich zu mir gezogen aus lauter Güte.

Gott zieht uns zu sich. Er will uns damit wegziehen vom Bösen, von Mächten, die Einfluss auf unser Leben nehmen möchten. Er will uns wegziehen von Mächten, die uns vorspiegeln wie toll das alles ist, was Gott nicht in unserem Leben möchte und wie wichtig es ist ja nichts zu verpassen – egal ob es uns gut tut oder nicht. Am Schluss aber beleibt Unruhe, Unfrieden und schlechtes Gewissen. Gott zieht uns zu sich, damit wir Frieden haben.

Gott will, dass wir umkehren. Heute, in dieser Stunde. Er will, dass wir versuchen es mit seiner Hilfe künftig besser zu machen und ihn nicht aus unserem Leben ausblenden. Ich würde mich freuen, wenn ihr lieben Konfirmanden, die ihr mir in unserer Konfizeit sehr ans Herz gewachsen seid, in Zukunft so lebt, wozu ihr berufen seid – von Gott berufen seid: Ihr sollt Licht sein – Gottes Licht in einer Welt, in der es oft so finster ist. Ich hoffe, dass ihr euch weiterhin hier sehen lässt, damit das, was an Gutem in euch zu wachsen begonnen hat, weiter wachsen kann, damit ihr Christen mit festem Fundament werdet, die in sich und in Gott ruhen.

Ich will aber nicht versäumen, denen ins Gewissen zu reden, für die alles wichtig ist, nur nicht ihr Glaube an den Gott, der sie je und je geliebt hat und der sie lauter Güte zu sich ziehen will und mit seiner Güte zur Buße, zur Umkehr ruft.

Ich möchte euch zum Schluss eine kleine Geschichte erzählen:

Ein Junge lässt am Strand bei herrlichem Wind seinen Drachen steigen. Als seine Schnur völlig abgerollt ist, sieht man den Drachen gar nicht mehr, so hoch ist er in die Wolken hineingeschwebt. Ein älterer Herr tritt zu dem Jungen und fragt ihn, was er da mache. „Ich lasse meinen wunderschönen Drachen steigen!”, sagt der Junge stolz. „Aber ich sehe gar keinen Drachen”, sagt der Mann. „Ich sehe ihn auch nicht”, antwortet der Junge, „und doch ist er da, ich fühle, wie er zieht.” - Wie oft fragen uns Menschen danach, wo Gott ist. Er ist doch nicht zu sehen. Nein, wir sehen ihn auch nicht. Aber wir spüren, wie er zieht, mit seiner Liebe und Treue, seiner Barmherzigkeit und Wahrheit zieht er unser Leben in seine Nähe und ans Ziel.[1]

Lasst die Verbindung zu Gott nicht los, liebe Konfirmandinnen und Konfirmanden, so wie der Junge die Schnur seines Drachen nicht losgelassen hat, obwohl er ihn nicht mehr sehen konnte. Liebe Gemeindeglieder, liebe Gäste, vielleicht ist auch für Sie der heutige Abend eine gute Gelegenheit, die Schnur zu Gott wieder in die Hand zu nehmen und ganz neu mit ihm anzufangen.

Gott spricht: Ich habe dich je und je geliebt, darum habe ich dich zu mir gezogen aus lauter Güte. Amen.



[1] Axel Kühner – Textarchiv 769

01.04.2008

Ansprache Karfreitag

Predigt Jes 52, 13-15; 53, 1-12

Siehe, meinem Knecht wird's gelingen, er wird erhöht und sehr hoch erhaben sein. Wie sich viele über ihn entsetzten, weil seine Gestalt hässlicher war als die anderer Leute und sein Aussehen als das der Menschenkinder, so wird er viele Heiden besprengen, daß auch Könige werden ihren Mund vor ihm zuhalten. Denn denen nichts davon verkündet ist, die werden es nun sehen, und die nichts davon gehört haben, die werden es merken.

Aber wer glaubt dem, was uns verkündet wurde, und wem ist der Arm des HERRN offenbart? Er schoss auf vor ihm wie ein Reis und wie eine Wurzel aus dürrem Erdreich. Er hatte keine Gestalt und Hoheit. Wir sahen ihn, aber da war keine Gestalt, die uns gefallen hätte. Er war der Allerverachtetste und Unwerteste, voller Schmerzen und Krankheit. Er war so verachtet, dass man das Angesicht vor ihm verbarg; darum haben wir ihn für nichts geachtet. Fürwahr, er trug unsre Krankheit und lud auf sich unsre Schmerzen. Wir aber hielten ihn für den, der geplagt und von Gott geschlagen und gemartert wäre. Aber er ist um unsrer Missetat willen verwundet und um unsrer Sünde willen zerschlagen. Die Strafe liegt auf ihm, auf dass wir Frieden hätten, und durch seine Wunden sind wir geheilt.

Wir gingen alle in die Irre wie Schafe, ein jeder sah auf seinen Weg. Aber der HERR warf unser aller Sünde auf ihn. Als er gemartert ward, a litt er doch willig und tat seinen Mund nicht auf wie ein Lamm, das zur Schlachtbank geführt wird; und wie ein Schaf, das verstummt vor seinem Scherer, tat er seinen Mund nicht auf. Er ist aus Angst und Gericht hinweggenommen. Wer aber kann sein Geschick ermessen? Denn er ist aus dem Lande der Lebendigen weggerissen, da er für die Missetat meines Volks geplagt war. Und man gab ihm sein Grab bei Gottlosen und bei Übeltätern, als er gestorben war, wiewohl er niemand Unrecht getan hat und kein Betrug in seinem Munde gewesen ist. So wollte ihn der HERR zerschlagen mit Krankheit. Wenn er sein Leben zum Schuldopfer gegeben hat, wird er Nachkommen haben und in die Länge leben, und des HERRN Plan wird durch seine Hand gelingen. Weil seine Seele sich abgemüht hat, wird er das Licht schauen und die Fülle haben. Und durch seine Erkenntnis wird er, mein Knecht, der Gerechte, den Vielen Gerechtigkeit schaffen; denn er trägt ihre Sünden. Darum will ich ihm die Vielen zur Beute geben, und er soll die Starken zum Raube haben, dafür daß er sein Leben in den Tod gegeben hat und den Übeltätern gleichgerechnet ist und er die Sünde der Vielen getragen hat und b für die Übeltäter gebeten.

Liebe Gemeindeglieder
liebe Schwestern und Brüder in Christus,

im letzten Haus des Dorfes, einem alten, halb zerfallenen Speicher, wohnte ein buckliger Mann ganz allein. Er wurde von allen gemieden, denn er war wegen Brandstiftung mit einer schweren Freiheitsstrafe belegt worden. Er hatte einst die Mühle des Dorfes angezündet.

Nach langen Jahren kam er aus dem Gefängnis zurück, menschenscheu und noch zusammengefallener als früher. Sogar zum Kinderschreck war er geworden, denn wenn die Kinder nicht brav sein wollten, drohten die Mütter mit dem Zuchthäusler, der sie holen würde.

Nur einer kümmerte sich um den Ausgestoßenen, und das war der Müller, dem der Bucklige dieses Unrecht angetan hatte. Jeden Sonntagnachmittag saß der Müller bei dem Geächteten, und niemand konnte begreifen, was er dort zu tun hätte. Erst redete man darüber, dann wurde es ruhig über dieser Schrulle des Müllers. Und so ging es noch manches Jahr.

Der Bucklige starb. Hinter seinem Sarg gingen der Pfarrer und der Müller - sonst keiner mehr. Denn wenn erst einer aus der Dorfgemeinschaft ausgeschlossen ist, gibt es keine Barmherzigkeit mehr, auch im Tod nicht.

Und wieder nach einiger Zeit klopfte der Tod auch bei dem Müller an, und diesmal ging der Pfarrer nicht allein hinter dem Sarg. Das ganze Dorf folgte, denn der Müller war eine Respektsperson. Der Pfarrer sprach über ein Trost- und Bibelwort. Aber die Leute begannen erst da aufzuhorchen, als er folgendes erzählte: „Ihr habt euch oft gewundert, dass der Müller so freundlich zu dem Buckligen war. Heute sollt ihr den Grund erfahren. Kurz vor seinem Tod hat mir der Müller gebeichtet, dass er seine Mühle selbst angezündet habe, und er wäre dafür unfehlbar ins Zuchthaus gekommen.

Der Bucklige hatte die Gewohnheit, öfters in der Nacht noch draußen umherzustreichen, und da hatte er wohl den Müller bei seiner Tat beobachtet. Da kam der Bucklige eines Abends zu ihm und erklärte, er habe keinen Menschen auf der Welt, er wolle sich darum als Brandstifter ausgeben und alle Schuld auf sich nehmen, damit der Müller und seine Familie nicht ins Unglück kämen.

So konnte bei der Gerichtsverhandlung dann auch nachgewiesen werden, dass der Angeklagte in der Brandnacht nahe der Mühle gesehen worden sei. Viel Sympathien genoss er ohnehin nicht im Dorf, so wurde er denn verurteilt. Jahrelang hat dann der einsame Mann die fremde Schuld getragen, als Stellvertreter des Müllers. Dem Mann hier im Sarg hat Gott seine Schuld vergeben. Bitten wir nun Gott, dass er unsere Schuld dem Buckligen gegenüber auch vergebe, und lasst uns sein Andenken in Ehren halten.”[1]

Er war so verachtet, dass man das Angesicht vor ihm verbarg; darum haben wir ihn für nichts geachtet.

Es gibt Menschen, die wir für nichts achten, von denen wir denken, dass sie ganz schwach sind. Menschen, die so gar nichts von sich hermachen, und nicht unseren Vorstellungen eines dynamischen und erfolgreichen Menschen entsprechen. Ich kenne solche Menschen und ich kenne auch die Stärke und Kraft, die sich hinter solchen Menschen verbergen kann. Jesus war auch so einer, dem zwar viele nachgefolgt sind, und dann waren sie alle weg und haben „kreuzige ihn“ gerufen. Sogar seine Vertrauten und Freunde, die Jünger, sind davongelaufen.

Und auch heute scheiden sich die Geister an Jesus. Viele achten es für nichts, was Jesus für uns getan hat, was da auf Golgatha geschehen ist. Wo sind sie denn heute, die tönen, dass sie Glauben haben. Ja, mit denen von der Kirche will man nichts zu tun haben – so sagt man wenigstens. Mit denen von der Kirche – das sind die, die an Jesus glauben, ihm vertrauen. Es lässt sie kalt, obwohl sie in den Namen Jesu hineingetauft sind. Es ist für sie Kirche, der man sowie so nicht trauen darf und es sind für sie fehlbare Menschen, die zu dieser Kirche gehören. Sie meinen: Kirche und Glaube, das ist etwas für alte Menschen, Behinderte und Kranke. Und es treibt sie auch nicht um Jesu willen in die Gotteshäuser, wo heute dem schrecklichen Geschehen vom Golgatha gedacht wird.

Er war so verachtet, dass man das Angesicht vor ihm verbarg; darum haben wir ihn für nichts geachtet.

Es ist heilsam, sich damit auseinanderzusetzen, was auf Golgatha geschehen ist. Möglich, dass uns dabei Fragen plagen, über die wir nachdenken müssen. Vielleicht wird auch mache dieser Fragen aus dem Zweifel heraus geboren. Vielleicht spüren wir auch Widerspruch in uns. Da steht in unserem heutigen Text: „Fürwahr er trug unsere Krankheit ...“ Er hat unsere Krankheit mit an sein Kreuz genommen. Unsere Krankheit trug er? Wie kann einer meine Krankheit tragen? Der Gedanke hat ja was: Mein Bluthochdruck oder meine Arthritis im linken Knie – einfach wie weggeblasen! Übertragen auf einen anderen. Mag er zugrunde gehen!

Nur: Was nützt ein „Arzt“, den die Krankheiten seiner „Patienten“ umbringen?

Wir müssen anders fragen was es heißt: Einer „trägt“ meine Krankheit. Wenn jemand sagt: „Du machst mich krank!“ – dann ist ziemlich sicher nicht gemeint: „Du steckst mich mit deiner Grippe an.“

„Du machst mich noch krank!“ – so lautet der verzweifelte Vorwurf eines Menschen, der mit dir nicht klar kommt. Was ist an dir so ungesund und schädlich, dass er deinetwegen krank wird?

Da ist vieles, was Menschen an einander krank macht: das ewige Nörgeln, Rechthaberei, Lieblosigkeit und Unverständnis. Viele halten es einfach nicht mehr aus, so nebeneinander herzuleben, ohne zu wissen was der andere wirklich denkt und fühlt. Taktlosigkeiten, dass sich der oder die andere so wenig unter Kontrolle hat und andere mit ihren Launen und Zicken belastet. Nicht wissen wie man dran ist und die Angst davor ein verkehrtes Wort zu sagen. All das muss von den anderen getragen werden, ob sie das wollen oder nicht und es macht das Zusammenleben zur krankmachenden Qual.

Am Arbeitsplatz von Kollegen gemobbt zu werden, die sich lauthals darüber beschweren gemobbt zu werden, dabei aber selbst ohne Ende mobben. Es macht krank, in solchen Verhältnissen sein Brot verdienen zu müssen.

Oft sind es die Verhältnisse, in denen manche leben und überleben müssen, die bis zum krank werden getragen werden müssen. Der Lohn, der kaum zum nötigsten reicht. Finanzielle Sorgen, die einfach kein Ende nehmen und das bestimmende Thema sind – jeden Tag neu. Die Enge in der Wohnung, in der man sich auf den Wecker geht, aber eine größere trägt es nicht.

Das alles kann uns krank machen und irgendwann zum Beziehungsinfarkt führen, bis der Wunsch immer stärker wird aus allem auszubrechen, weg, einfach nur weg, raus aus dieser Situation.

Gott kennt das auch, dass ihn Beziehung krank macht. Aber eigentlich müsste ich sagen, dass ihn unsere Nichtbeziehung zu ihm krank gemacht hat. Er trägt schwer an uns.

Es hat ihn krank gemacht, dass sich der Mensch von Anfang an von ihm abgesondert hat und eigene Wege gegangen ist. Es lässt Gott auch nicht kalt, was sich Menschen untereinander antun. Er bezieht es auf sich. Darum können wir im Matthäusevangelium lesen: „Was ihr einem dieser meiner geringsten Brüder getan habt, das habt ihr mir getan. Dann wird er auch sagen zu denen zur Linken: Geht weg von mir, ihr Verfluchten, in das ewige Feuer, das bereitet ist dem Teufel und seinen Engeln! Denn ich bin hungrig gewesen, und ihr habt mir nicht zu essen gegeben. Ich bin durstig gewesen, und ihr habt mir nicht zu trinken gegeben. Ich bin ein Fremder gewesen, und ihr habt mich nicht aufgenommen. Ich bin nackt gewesen, und ihr habt mich nicht gekleidet. Ich bin krank und im Gefängnis gewesen, und ihr habt mich nicht besucht. Dann werden sie ihm auch antworten und sagen: Herr, wann haben wir dich hungrig oder durstig gesehen oder als Fremden oder nackt oder krank oder im Gefängnis und haben dir nicht gedient? Dann wird er ihnen antworten und sagen: Wahrlich, ich sage euch: Was ihr nicht getan habt einem von diesen Geringsten, das habt ihr mir auch nicht getan. Und sie werden hingehen: diese zur ewigen Strafe, aber die Gerechten in das ewige Leben.“[2]

Gott bezieht es auf sich, was wir uns gegenseitig antun. Wenn unsere Beziehung zu anderen Menschen gestört ist, dann ist auch unsere Beziehung zu ihm gestört.

Wer kann diese Schuld tragen? Unsere Schuld gegenüber Gott und dem anderen Menschen?

Wer kann meine Schuld tragen? Wer kann sie forttragen, wegschaffen, beseitigen aus meinem Leben? Fürwahr, er trug unsre Krankheit und lud auf sich unsre Schmerzen. Wir aber hielten ihn für den, der geplagt und von Gott geschlagen und gemartert wäre. Aber er ist um unsrer Missetat willen verwundet und um unsrer Sünde willen zerschlagen. Die Strafe liegt auf ihm, auf dass wir Frieden hätten, und durch seine Wunden sind wir geheilt.

Hier ist einer, der meine Schuld trägt, die Strafe, die ich verdient habe.

Man könnte denken: Kein Tag vergeht, ohne dass Christus irgendwo auf der Welt noch einmal gekreuzigt wird. Aber es vergeht auch kein Tag, an dem Menschen nicht erfahren: Er, unser Gott hat unser Leben geheilt! Unsere Gemeinschaft ist durch ihn genesen. Die Krankheit ist auskuriert, deren Ursache wir selbst waren. Keiner, der sagt: „Du machst mich krank!“ Nein es heißt jetzt: „Ich kann dir wieder ins Gesicht sehen.“ Gott sei Dank wir haben uns wieder erholt von unserem tödlichen Siechtum!

Dir Gott sei Dank! Gib unserem Leben Zukunft. Wir möchten dich nicht kränken. Hilf uns Heil zu werden durch Christus. Amen.



[1] Axel Kühner Textarchiv 542

[2] Mt 25, 40-46

Ansprache Palmsonntag

Predigt Jesaja 43, 1-5a

Liebe Gemeindeglieder,
liebe Schwestern und Brüder,

Mary Glück möchte, so wie wir das im Anspiel unserer Konfirmanden gesehen haben, nur eins, sie möchte glücklich werden. Wir haben uns im Konfirmandenunterricht vor wenigen Wochen mit dem Thema Tod und Sterben beschäftigt. In dem Zusammenhang haben wir uns auch mit der Frage auseinandergesetzt, was wir in unserem Leben erreichen wollen. Häufig wurde dabei ein guter Schulabschluss und ein guter Beruf genannt. Fast alle aber haben gesagt: Ich möchte Familie haben und glücklich werden. Wie aber geht das mit dem Glücklichwerden? Bin ich glücklich, wenn ich Markenklamotten trage und mir alles leisten kann? Oder bin ich glücklich, wenn ich einen Ehepartner und Kinder habe? Macht es mich glücklich, wenn ich die erste Million verdient habe und mein Häuschen im Grünen steht? Was brauche ich um glücklich zu sein? Oder liegt Glücklichsein auf einer ganz anderen Ebene? Auf einer Ebene, die ich nur in mir finden kann? Wenn ich weiß ich bin angenommen und geliebt, ich bin wertgeschätzt und geachtet, ich gehöre jemanden, ich gehöre zu jemandem?

Hören Sie den Predigtext, er steht bei Jesaja im 43. Kapitel:

So spricht der HERR, der dich geschaffen hat, Jakob, und dich gemacht hat, Israel: Fürchte dich nicht, denn ich habe dich erlöst; ich habe dich bei deinem Namen gerufen; du bist mein! Wenn du durch Wasser gehst, will ich bei dir sein, daß dich die Ströme nicht ersäufen sollen; und wenn du ins Feuer gehst, sollst du nicht brennen, und die Flamme soll dich nicht versengen. Denn ich bin der HERR, dein Gott, der Heilige Israels, dein Heiland. Ich habe Ägypten für dich als Lösegeld gegeben, Kusch und Seba an deiner Statt, weil du in meinen Augen so wertgeachtet und auch herrlich bist und weil ich dich liebhabe. Ich gebe Menschen an deiner Statt und Völker für dein Leben. So fürchte dich nun nicht, denn ich bin bei dir.

Ein starker Text, kraftvoll und mit starken Worten und Zusagen. Ein Text, der mich wertschätzt und beruhigt, der mich aber auch aufwühlt. Eigentlich kommt in ihm unser ganzes Leben vor. Er begleitet uns bei Beerdigungen genauso, wie bei Taufen, Konfirmationen oder Trauungen. Da ist von meinem Namen und vom Wasser die Rede, und lenkt dadurch unsere Gedanken zur Taufe hin. Unser Name, den Gott kennt – ein ganz starker Gedanke. Wissen wir, wer wir sind? Genügt es, wenn unser Name im Pass und an der Wohnungstür steht? Unser Name ist unsere Identität. Aber wer sind wir?

In China wagte man früher nicht, den Namen eines Kindes auszusprechen. Man hatte Angst, böse Geister könnten dann von dem Kind Besitz ergreifen. Diese Furcht beherrscht auch heute noch manche Eingeborenenstämme. Sie hüten sich, den Namen eines anderen zu nennen, weil sie meinen, die Dämonen bekämen dann Macht über ihn. Ein solcher Stamm, der zum Glauben an Jesus kam, erfuhr die glückliche Freiheit von dieser Heidenangst. Einer nach dem anderen übergab seinen Namen Jesus. Sein Name wurde mit dem Namen Jesu verbunden und damit frei von der Furcht vor anderen Mächten.

Einmalig ist unser Name, eben unser Eigenname, er gehört uns. Aber damit verbindet sich nicht nur Einmaliges, Geheimnisvolles, sondern auch Unheimliches und Dunkles, Schuld und Schicksal. Darum brauchen wir für unseren Namen eine Heimat, ein Zuhause, wo er aufgehoben und aufgeschrieben ist. Unser Name wird mit dem Namen über alle Namen verbunden. Unser Name wird bei Gott in das Buch des Lebens geschrieben. Wir werden nach seinem Namen genannt, nennen uns in einer ganz neuen Identität nach Christus, eben Christen. In der Taufe wird uns nicht der Name gegeben, sondern wir werden mit unserem Namen auf seinen Namen getauft. „Ich taufe dich im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes!” Damit ist allen anderen Namen, Menschen und Mächten der letzte Einfluss auf unser Leben abgesprochen, und wir sind Jesus als Eigentum zugesprochen. Das müssen wir dann im Glauben beantworten und ausleben. Dann ist unser Name, unser Leben, unsere Identität im Leben Jesu aufgehoben und bewahrt. Über unserem Namen leuchtet sein Name auf. Gott ruft uns zu: Ich habe dich bei deinem Namen gerufen, du bist mein![1]

Und da ist dann auch der Gedanke, den wir oft bei Beerdigungen aussprechen, dass wir auch in unserem Sterben Jesu Eigentum bleiben. Unser Name ist bei ihm aufgehoben und bewahrt über unser Sterben hinaus, in alle Ewigkeit.

Auch wenn wir heiraten ist der Name oft ein wichtiges Thema. Zu Recht, meine ich, denn im Namen drückt sich aus wem wir gehören, zu wem wir gehören. Auch wenn das nicht immer konfliktfrei ist. Fürchte dich nicht, denn ich habe dich erlöst; ich habe dich bei deinem Namen gerufen; du bist mein!

Ich gehöre Gott und bin bei ihm keine Nummer, sondern er kennt meinen Namen und damit auch mein ganzes Leben. Wissen Sie, liebe Gemeinde, ich habe in den letzten Wochen sehr viel mitgemacht, weil meine Frau auf Leben und Tod in der Intensivstation liegt. Es ist mir eine große Hilfe zu wissen, dass Gott ihren Namen kennt und in dieser Zeit der Ungewissheit bei ihr am Bett ist. Und es ist mir wichtig zu wissen, dass sie sich vor dem großen Eingriff mit ihrem Namen in die Hand Gottes gegeben hatte, mit dem sie im Leben und Sterben unverbrüchlich verbunden ist. Sie wird nun wählen, ob sie mit Jesus in die Ewigkeit geht, oder bei den Menschen bleibt, die sie hier auf dieser Erde über alles geliebt hat. Diese Gedanken helfen uns in dieser Zeit der Ungewissheit und Unsicherheit wo ihr Weg wohl hingehen mag: Ich habe dich bei deinem Namen gerufen; du bist mein! Jesu Namen tragen, zu Gott gehören.

Und dann noch das andere. Das Wort für die Lebenden. Ich habe Ägypten für dich als Lösegeld gegeben, Kusch und Seba an deiner Statt, weil du in meinen Augen so wertgeachtet und auch herrlich bist und weil ich dich liebhabe.

Ständig vergleichen wir uns in Ansehen und Anziehung mit anderen Menschen. Wir beneiden sie um ihre Intelligenz und Schönheit, ihren Reichtum und ihren Erfolg. Ganz unbewusst kritisieren und verachten wir uns dabei selber, machen uns klein und fühlen uns mies. Um das auszugleichen, beginnen wir ein übles Rollenspiel. Wir schlüpfen in fremde Rollen, setzen interessante Masken auf und erwerben uns Statussymbole, die in der Gesellschaft gelten. Wir täuschen vor, was wir nicht sind, und täuschen uns darin, wer andere sind. Niemand soll unsere Ecken und Kanten spüren, keiner unsere Fehler und Schwächen durchschauen, weil wir andere glatt, stark und erfolgreich wähnen. Niemand soll erfahren, wie einsam, ungeborgen, fremd, ängstlich und schwach wir sind. Wir haben Angst, dass andere uns herabsetzen und in unseren Wunden lustvoll herumkratzen und sich an unserer Schwäche weiden. Darum verbergen wir unser wirkliches Selbst aus Angst vor Verletzung und Verachtung.

Und was wir oft nicht bedenken, ist, dass es den anderen Menschen ähnlich ergeht. So entsteht eine Gesellschaft von verkrampften, gequälten Schauspielern, in der jeder seine eigene Identität verraten hat. Zwischen Überforderung und Untererfüllung geraten wir ins Schleudern, verleugnen uns selbst auf eine völlig falsche Weise, schämen uns unserer selbst und unserer Eigenart.

Es wird höchste Zeit, dass wir uns von Gottes unbedingter Liebe her als einzigartig und angenommen erkennen, unsere ureigene Identität leben, mit unserem Alter und Geschlecht, Charakter und Beruf, mit unseren Gaben und Grenzen, unserer Wohn- und Lebensart versöhnen. Versuchen wir nicht, wie andere oder anders zu sein, stehen wir zu uns selbst und vergleichen wir uns nicht mit anderen, weil jeder Mensch vor Gott unvergleichlich ist.

Weil du in meinen Augen so wertgeachtet und auch herrlich bist, habe ich dich lieb.[2]

Wir sind in Gottes Augen wertvoll. Es ist Sünde wenn wir, wie Max Kannix in unserem Anspiel, mit der Einstellung leben und leiden: Max kann nix, Max ist nix und aus Max wird nix. Leider bringen Eltern das oft ihren Kindern bei. Ich habe im Konfirmandenalter leider auch gewusst: Aus dir wird nie was. Es bedurfte großer Mühe, viel Schweiß und viel Mühe, diesen Fluch in meinem Leben wieder loszuwerden. Und ich kann jedem der so daherkommt sagen: Tu was dagegen, geh in Therapie oder zu einem guten Seelsorger, der Lüge als Lüge entlarvt und dir den guten Plan Gottes für dein Leben aufzeigen kann. Wir haben Menschen in unserer Gemeinde, die mit Max Kannix solche Wege gehen können. Aber um Himmelswillen gewöhnen Sie sich nicht an die Rolle es Versagers und des Nixkönners, es ist schrecklich sich so fühlen zu müssen. Wir sind in Gottes Augen wertgeachtet und Gott liebt uns. Jeder Mensch hat an irgend einer Stelle seine Stärken. Es gilt sie zu entdecken, liebe Eltern. Die Stärken ihrer Kinder liegen nicht immer dort wo wir sie gerne haben möchten. Sie helfen ihrem Max Kannix, wenn sie sich mit ihm liebevoll auf die Suche machen und ihn darin unterstützen, an sich selbst zu glauben.

Liebe Gemeinde, ich möchte ihnen am Ende dieser Predigt noch mal den ganzen Predigttext vorlesen. Er ist so stark und tut zumindest meiner Seele so gut, dass ich ihn nochmals hören möchte. Trinken sie ihn mit mir in sich hinein: So spricht der HERR, der dich geschaffen hat, Jakob, und dich gemacht hat, Israel: Fürchte dich nicht, denn ich habe dich erlöst; ich habe dich bei deinem Namen gerufen; du bist mein! Wenn du durch Wasser gehst, will ich bei dir sein, daß dich die Ströme nicht ersäufen sollen; und wenn du ins Feuer gehst, sollst du nicht brennen, und die Flamme soll dich nicht versengen. Denn ich bin der HERR, dein Gott, der Heilige Israels, dein Heiland. Ich habe Ägypten für dich als Lösegeld gegeben, Kusch und Seba an deiner Statt, weil du in meinen Augen so wertgeachtet und auch herrlich bist und weil ich dich liebhabe. Ich gebe Menschen an deiner Statt und Völker für dein Leben. So fürchte dich nun nicht, denn ich bin bei dir.
Amen.



[1] Axel Kühner Textarchiv 106

[2] Axel Kühner Textarchiv 726