01.04.2008

Ansprache Palmsonntag

Predigt Jesaja 43, 1-5a

Liebe Gemeindeglieder,
liebe Schwestern und Brüder,

Mary Glück möchte, so wie wir das im Anspiel unserer Konfirmanden gesehen haben, nur eins, sie möchte glücklich werden. Wir haben uns im Konfirmandenunterricht vor wenigen Wochen mit dem Thema Tod und Sterben beschäftigt. In dem Zusammenhang haben wir uns auch mit der Frage auseinandergesetzt, was wir in unserem Leben erreichen wollen. Häufig wurde dabei ein guter Schulabschluss und ein guter Beruf genannt. Fast alle aber haben gesagt: Ich möchte Familie haben und glücklich werden. Wie aber geht das mit dem Glücklichwerden? Bin ich glücklich, wenn ich Markenklamotten trage und mir alles leisten kann? Oder bin ich glücklich, wenn ich einen Ehepartner und Kinder habe? Macht es mich glücklich, wenn ich die erste Million verdient habe und mein Häuschen im Grünen steht? Was brauche ich um glücklich zu sein? Oder liegt Glücklichsein auf einer ganz anderen Ebene? Auf einer Ebene, die ich nur in mir finden kann? Wenn ich weiß ich bin angenommen und geliebt, ich bin wertgeschätzt und geachtet, ich gehöre jemanden, ich gehöre zu jemandem?

Hören Sie den Predigtext, er steht bei Jesaja im 43. Kapitel:

So spricht der HERR, der dich geschaffen hat, Jakob, und dich gemacht hat, Israel: Fürchte dich nicht, denn ich habe dich erlöst; ich habe dich bei deinem Namen gerufen; du bist mein! Wenn du durch Wasser gehst, will ich bei dir sein, daß dich die Ströme nicht ersäufen sollen; und wenn du ins Feuer gehst, sollst du nicht brennen, und die Flamme soll dich nicht versengen. Denn ich bin der HERR, dein Gott, der Heilige Israels, dein Heiland. Ich habe Ägypten für dich als Lösegeld gegeben, Kusch und Seba an deiner Statt, weil du in meinen Augen so wertgeachtet und auch herrlich bist und weil ich dich liebhabe. Ich gebe Menschen an deiner Statt und Völker für dein Leben. So fürchte dich nun nicht, denn ich bin bei dir.

Ein starker Text, kraftvoll und mit starken Worten und Zusagen. Ein Text, der mich wertschätzt und beruhigt, der mich aber auch aufwühlt. Eigentlich kommt in ihm unser ganzes Leben vor. Er begleitet uns bei Beerdigungen genauso, wie bei Taufen, Konfirmationen oder Trauungen. Da ist von meinem Namen und vom Wasser die Rede, und lenkt dadurch unsere Gedanken zur Taufe hin. Unser Name, den Gott kennt – ein ganz starker Gedanke. Wissen wir, wer wir sind? Genügt es, wenn unser Name im Pass und an der Wohnungstür steht? Unser Name ist unsere Identität. Aber wer sind wir?

In China wagte man früher nicht, den Namen eines Kindes auszusprechen. Man hatte Angst, böse Geister könnten dann von dem Kind Besitz ergreifen. Diese Furcht beherrscht auch heute noch manche Eingeborenenstämme. Sie hüten sich, den Namen eines anderen zu nennen, weil sie meinen, die Dämonen bekämen dann Macht über ihn. Ein solcher Stamm, der zum Glauben an Jesus kam, erfuhr die glückliche Freiheit von dieser Heidenangst. Einer nach dem anderen übergab seinen Namen Jesus. Sein Name wurde mit dem Namen Jesu verbunden und damit frei von der Furcht vor anderen Mächten.

Einmalig ist unser Name, eben unser Eigenname, er gehört uns. Aber damit verbindet sich nicht nur Einmaliges, Geheimnisvolles, sondern auch Unheimliches und Dunkles, Schuld und Schicksal. Darum brauchen wir für unseren Namen eine Heimat, ein Zuhause, wo er aufgehoben und aufgeschrieben ist. Unser Name wird mit dem Namen über alle Namen verbunden. Unser Name wird bei Gott in das Buch des Lebens geschrieben. Wir werden nach seinem Namen genannt, nennen uns in einer ganz neuen Identität nach Christus, eben Christen. In der Taufe wird uns nicht der Name gegeben, sondern wir werden mit unserem Namen auf seinen Namen getauft. „Ich taufe dich im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes!” Damit ist allen anderen Namen, Menschen und Mächten der letzte Einfluss auf unser Leben abgesprochen, und wir sind Jesus als Eigentum zugesprochen. Das müssen wir dann im Glauben beantworten und ausleben. Dann ist unser Name, unser Leben, unsere Identität im Leben Jesu aufgehoben und bewahrt. Über unserem Namen leuchtet sein Name auf. Gott ruft uns zu: Ich habe dich bei deinem Namen gerufen, du bist mein![1]

Und da ist dann auch der Gedanke, den wir oft bei Beerdigungen aussprechen, dass wir auch in unserem Sterben Jesu Eigentum bleiben. Unser Name ist bei ihm aufgehoben und bewahrt über unser Sterben hinaus, in alle Ewigkeit.

Auch wenn wir heiraten ist der Name oft ein wichtiges Thema. Zu Recht, meine ich, denn im Namen drückt sich aus wem wir gehören, zu wem wir gehören. Auch wenn das nicht immer konfliktfrei ist. Fürchte dich nicht, denn ich habe dich erlöst; ich habe dich bei deinem Namen gerufen; du bist mein!

Ich gehöre Gott und bin bei ihm keine Nummer, sondern er kennt meinen Namen und damit auch mein ganzes Leben. Wissen Sie, liebe Gemeinde, ich habe in den letzten Wochen sehr viel mitgemacht, weil meine Frau auf Leben und Tod in der Intensivstation liegt. Es ist mir eine große Hilfe zu wissen, dass Gott ihren Namen kennt und in dieser Zeit der Ungewissheit bei ihr am Bett ist. Und es ist mir wichtig zu wissen, dass sie sich vor dem großen Eingriff mit ihrem Namen in die Hand Gottes gegeben hatte, mit dem sie im Leben und Sterben unverbrüchlich verbunden ist. Sie wird nun wählen, ob sie mit Jesus in die Ewigkeit geht, oder bei den Menschen bleibt, die sie hier auf dieser Erde über alles geliebt hat. Diese Gedanken helfen uns in dieser Zeit der Ungewissheit und Unsicherheit wo ihr Weg wohl hingehen mag: Ich habe dich bei deinem Namen gerufen; du bist mein! Jesu Namen tragen, zu Gott gehören.

Und dann noch das andere. Das Wort für die Lebenden. Ich habe Ägypten für dich als Lösegeld gegeben, Kusch und Seba an deiner Statt, weil du in meinen Augen so wertgeachtet und auch herrlich bist und weil ich dich liebhabe.

Ständig vergleichen wir uns in Ansehen und Anziehung mit anderen Menschen. Wir beneiden sie um ihre Intelligenz und Schönheit, ihren Reichtum und ihren Erfolg. Ganz unbewusst kritisieren und verachten wir uns dabei selber, machen uns klein und fühlen uns mies. Um das auszugleichen, beginnen wir ein übles Rollenspiel. Wir schlüpfen in fremde Rollen, setzen interessante Masken auf und erwerben uns Statussymbole, die in der Gesellschaft gelten. Wir täuschen vor, was wir nicht sind, und täuschen uns darin, wer andere sind. Niemand soll unsere Ecken und Kanten spüren, keiner unsere Fehler und Schwächen durchschauen, weil wir andere glatt, stark und erfolgreich wähnen. Niemand soll erfahren, wie einsam, ungeborgen, fremd, ängstlich und schwach wir sind. Wir haben Angst, dass andere uns herabsetzen und in unseren Wunden lustvoll herumkratzen und sich an unserer Schwäche weiden. Darum verbergen wir unser wirkliches Selbst aus Angst vor Verletzung und Verachtung.

Und was wir oft nicht bedenken, ist, dass es den anderen Menschen ähnlich ergeht. So entsteht eine Gesellschaft von verkrampften, gequälten Schauspielern, in der jeder seine eigene Identität verraten hat. Zwischen Überforderung und Untererfüllung geraten wir ins Schleudern, verleugnen uns selbst auf eine völlig falsche Weise, schämen uns unserer selbst und unserer Eigenart.

Es wird höchste Zeit, dass wir uns von Gottes unbedingter Liebe her als einzigartig und angenommen erkennen, unsere ureigene Identität leben, mit unserem Alter und Geschlecht, Charakter und Beruf, mit unseren Gaben und Grenzen, unserer Wohn- und Lebensart versöhnen. Versuchen wir nicht, wie andere oder anders zu sein, stehen wir zu uns selbst und vergleichen wir uns nicht mit anderen, weil jeder Mensch vor Gott unvergleichlich ist.

Weil du in meinen Augen so wertgeachtet und auch herrlich bist, habe ich dich lieb.[2]

Wir sind in Gottes Augen wertvoll. Es ist Sünde wenn wir, wie Max Kannix in unserem Anspiel, mit der Einstellung leben und leiden: Max kann nix, Max ist nix und aus Max wird nix. Leider bringen Eltern das oft ihren Kindern bei. Ich habe im Konfirmandenalter leider auch gewusst: Aus dir wird nie was. Es bedurfte großer Mühe, viel Schweiß und viel Mühe, diesen Fluch in meinem Leben wieder loszuwerden. Und ich kann jedem der so daherkommt sagen: Tu was dagegen, geh in Therapie oder zu einem guten Seelsorger, der Lüge als Lüge entlarvt und dir den guten Plan Gottes für dein Leben aufzeigen kann. Wir haben Menschen in unserer Gemeinde, die mit Max Kannix solche Wege gehen können. Aber um Himmelswillen gewöhnen Sie sich nicht an die Rolle es Versagers und des Nixkönners, es ist schrecklich sich so fühlen zu müssen. Wir sind in Gottes Augen wertgeachtet und Gott liebt uns. Jeder Mensch hat an irgend einer Stelle seine Stärken. Es gilt sie zu entdecken, liebe Eltern. Die Stärken ihrer Kinder liegen nicht immer dort wo wir sie gerne haben möchten. Sie helfen ihrem Max Kannix, wenn sie sich mit ihm liebevoll auf die Suche machen und ihn darin unterstützen, an sich selbst zu glauben.

Liebe Gemeinde, ich möchte ihnen am Ende dieser Predigt noch mal den ganzen Predigttext vorlesen. Er ist so stark und tut zumindest meiner Seele so gut, dass ich ihn nochmals hören möchte. Trinken sie ihn mit mir in sich hinein: So spricht der HERR, der dich geschaffen hat, Jakob, und dich gemacht hat, Israel: Fürchte dich nicht, denn ich habe dich erlöst; ich habe dich bei deinem Namen gerufen; du bist mein! Wenn du durch Wasser gehst, will ich bei dir sein, daß dich die Ströme nicht ersäufen sollen; und wenn du ins Feuer gehst, sollst du nicht brennen, und die Flamme soll dich nicht versengen. Denn ich bin der HERR, dein Gott, der Heilige Israels, dein Heiland. Ich habe Ägypten für dich als Lösegeld gegeben, Kusch und Seba an deiner Statt, weil du in meinen Augen so wertgeachtet und auch herrlich bist und weil ich dich liebhabe. Ich gebe Menschen an deiner Statt und Völker für dein Leben. So fürchte dich nun nicht, denn ich bin bei dir.
Amen.



[1] Axel Kühner Textarchiv 106

[2] Axel Kühner Textarchiv 726

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