22.09.2011

Drinnen und draußen - Abschiedspredigt

18. September 2011 - Fürth-St.Paul
Predigt Markus 3,31-35
Abschiedspredigt


31 Und es kamen seine Mutter und seine Brüder und standen draußen, schickten zu ihm und ließen ihn rufen.
32 Und das Volk saß um ihn. Und sie sprachen zu ihm: Siehe, deine Mutter und deine Brüder und deine Schwestern draußen fragen nach dir.
33 Und er antwortete ihnen und sprach: Wer ist meine Mutter und meine Brüder?
34 Und er sah ringsum auf die, die um ihn im Kreise saßen, und sprach: Siehe, das ist meine Mutter und das sind meine Brüder!
35 Denn wer Gottes Willen tut, der ist mein Bruder und meine Schwester und meine Mutter.



Liebe Gemeindeglieder,
liebe Gäste und Freunde,
liebe Verwandte,
liebe Schwestern und Brüder in Christus,

die einen sind drinnen und die anderen sind draußen. So ist das oft, nicht nur in unserer Geschichte. Einige Verse vor unserem Text erzählt die Bibel, dass Jesus mit seinen Jüngern in ein Haus ging, um mit ihnen zu essen. Das Volk aber, begierig ihn zu hören, drängt auch in das Haus. Sie wollen mehr mit ihm erleben, hören was er zu sagen hat. Es war sensationell, geradezu aufregend, was in den letzten Tagen geschehen war, wovon sie Zeugen geworden waren: Die Heilung eines Gelähmten, der Streit mit Schriftgelehrten um die Frage, ob Jesus ein Gotteslästerer ist, weil er sich anmaßt Sünden zu vergeben. „Sünden vergeben kann nur Gott allein“, sagen die Schriftgelehrten. Immer deutlicher wurde die Frage: Wer ist er, dieser Jesus? Maßt er sich etwas Göttliches an oder wer ist er ...? Er, der mit Zöllnern und Sündern isst. Menschen am Sabbat, dem von Gott geheiligten Tag, heilt. In den Augen der geistlichen Autoritäten war das nicht nur skandalös, sondern geradezu gotteslästerlich.

Es hat sich rumgesprochen. Man will es sehen, miterleben, neue Hoffnung haben. Auch aus der Umgebung kommen viele, die Jesus sehen und von ihm geheilt werden wollen. Aus ist es mit stiller Beschaulichkeit. Es geht drunter und drüber. Und Jesus heilt, die von Krankheiten geplagt sind, aber auch die, die über ihn herfallen, um ihn zu berühren. Ungewöhnliches passiert, für manchen ist vielleicht auch erschreckend: Wenn unreine Geister Jesus sehen, fallen sie mit Geschrei vor ihm nieder: „Du bist Gottes Sohn!“ Es war richtig was los, aufregend, mit diesem Wanderprediger aus Galiläa. Und immer wieder die Frage: Wer ist er? Ist er der, auf den sie schon so lange sehnsüchtig gewartet haben? Der Befreier Israels, ist er der Messias, oder einer der obersten Teufel, wie die Schriftgelehrten und Pharisäer es behaupteten?

Maria, der Mutter Jesu und seinen Brüdern war das, was über Jesus berichtet wurde, mehr als unangenehm. Es bereitet ihnen Sorgen. Er musste wohl seinen Verstand verloren haben. Sofort wollten zu ihn, ihn nach Hause holen, auf ihn aufpassen, ihn vor sich selbst schützen.

Das Volk war nicht aufzuhalten und drängte weiter in das Haus, in dem Jesus mit seinen Jüngern essen wollte. Das Gedränge war so groß, dass kein Platz war um zu essen. Die Menschen wollten dort sein, wo Jesus war. Zu seinen Füßen sitzen, im Kreis um ihn herum auf dem Fußboden, um von ihm die gute Nachricht zu hören. Sie wollten hören, ihn, der gekommen ist, um allen Menschen Heil zu verkündigen, das Ende der Entfremdung von Gott. Sie wollen ihn hören, von ihm angerührt werden, suchten Heilung ihres Lebens.

Wo gehen wir hin, um angerührt zu werden, um Heilung unseres Lebens zu finden? Welche Wege schlagen wir ein, wo suchen wir?

Es sind aber auch einige drinnen, die rausgehen, angewidert und wütend: Schriftgelehrte und Pharisäer. Für sie ist Jesus mit dem Teufel im Bund.

Die einen sind drinnen und die anderen sind draußen. Die drinnen sind sitzen bei Jesus, hören ihm zu, sind in seiner Nähe, lassen sich berühren, anrühren – von Jesus, dem Gottessohn. Sie sind da, sind auf dem Weg der Heilung ihres Lebens. Es ist heute nicht anders. Wer da ist, im Gottesdienst, dort wo Gottes Lob erklingt, wo gebetet und Gottes Wort gehört wird, der geht verändert weg. Er wird berührt, angerührt, ist auf dem Weg der Heilung seines Lebens.

Nichts verlangt Jesus von denen, die im Kreis um ihn sitzen. Sie müssen nichts tun, keine frommen Leistungen erbringen. Sie sind da! Einfach nur da! Sitzen zu seinen Füßen! Jesus sieht sie an, zeigt auf sie: „Das sind meine Brüder und Schwestern“. - Da sein! Drinnen sein – im Kreis bei Jesus.

Manchmal hätte ich mir gewünscht, dass mehr da sind, um sich berühren, anrühren zu lassen. Gut, ich bin nicht Jesus. Aber ich habe seine gute Nachricht, die verändert und unser Leben heilt. Unsere Kirche hat 600 Plätze. Wenn jeder Zehnte aus unserer Gemeinde zum Gottesdienst kommt, rücken wir ein bisschen zusammen und alle haben Platz. Mich dauert es, dass oft so wenige drinnen sind und so viele draußen.

Und da sind die, die draußen sind und gar nicht reinwollen: Jesu Mutter und seine Brüder. Sie wollen Jesus in ihren Kreis zurückholen. Sie wünschen sich, dass Jesus wieder ganz einer der Ihren wird: der Sohn Marias und der Bruder seiner Geschwister. Das, was Jesus, den Menschen „drinnen“ zum Gesandten und Heilsbringer, zum Sohn Gottes macht, erscheint den „draußen“ stehenden Angehörigen als „von Sinnen“. In ihren Augen ist er verrückt geworden.

Maria und den Brüdern Jesu fällt es schwer zu glauben, dass Jesus wirklich seit seiner Taufe Gottes Sohn ist: Jesus der wahre Mensch, dessen Mutter jeder kennt und Gottes Sohn, durch Gottes Geist berufen. Seine Familie kann es nicht akzeptieren, dass er als Glied ihrer Familie zugleich Gottes Sohn ist. Sie möchten ihn auf den historischen Jesus reduzieren, auf einen sittlich beispielhaften Menschen, als Vorbild tugendhaften und religiösen Lebens.

Die draußen sind, sehen in unserer Zeit in Jesus auch oft nur den reduzierten, historischen Jesus und nicht den Gottessohn. Für sie ist Jesus der soziale und politische Revolutionär, Helfer der Armen und Unterdrückten, der Jesus der Bergpredigt. Jesus, der zugleich Mensch und Gottes Sohn ist, das entspricht vielfach nicht neuzeitlicher Wunschvorstellungen von ihm. Wir sind ernstlich in der Gefahr, unser Christentum zu einer wundervollen Philosophie, zu einer starken Soziallehre zu machen - zu nichts weiter sonst. Jesus will aber der Heiland, unser Retter sein, der uns aus unserer Gottverlorenheit erlöst und den Riss zwischen Gott und den Menschen heilt.

Es ist eine „verrückte“ Botschaft, die Jesus hat. Eine Botschaft die weggerückt ist von dem, was Menschen der Welt denken und glauben. Damals und heute. Es ist eine Botschaft, die eine andere Perspektive hat, einen anderen Blick auf die Menschen und auf ihr Leben. Eine Perspektive, die Dinge für möglich hält, die der Welt unmöglich erscheinen. Es ist die Nachricht der bedingungslosen Liebe Gottes zu den Menschen, die ihn am Ende ans Kreuz bringt. Eine verrückte Perspektive, dass der, der die Macht im Himmel und auf Erden hat, für andere am Kreuz stirbt. Sich opfert für die, die ihn anspucken und misshandeln, die taube Ohren haben für sein Wort der Rettung. Der Welt ist es eine Torheit, uns aber ist es eine Gotteskraft.

Es war meine Aufgabe und es bleibt meine Lebensaufgabe, den Blick auf diese verrückte Perspektive anderen zu öffnen und zu zeigen. Dafür einzustehen, den Samen zu legen und zu bezeugen, dass wir geliebt sind – von Gott geliebt sind, unverbrüchlich, unverdient – aus Gnade.

Die einen sind drinnen, und die anderen sind draußen. Ich bin mir da nicht immer sicher, wer drinnen und wer draußen ist. Das wird Gott am Ende der Tage selbst entscheiden.

Für mich hat drinnen sein und draußen sein, in den Tagen des Abschieds auch noch eine etwas andere Bedeutung.

Viele Jahre war ich drinnen. Begonnen hat es, nach meiner Konfirmation vor 50 Jahren, als ich von meinem Konfirmator behutsam, aber bestimmt, auf die Orgelbank geschoben wurde. Von da an hieß es für mich: Drinnen sein, dort wo die Entscheidungen fallen, wo überlegt und geplant wird. Dort, wo die Nöte und die Freuden einer Gemeinde zusammentreffen. Dort, wo die Gedanken geboren werden, wie es mit einer Gemeinde weitergehen soll, welche Entscheidungen für ihre Zukunft nötig sind.

In ein paar Tagen, wenn ich mein Büro geräumt habe, gebe ich meinen Hauptschlüssel ab, dann bin ich draußen – wie alle anderen. Dann komme ich nirgendwo mehr selbst hinein. – Ein komisches Gefühl, an das ich mich erst gewöhnen muss. Und doch, es bleibt meine Gemeinde - und ich bin drinnen. Es bleibt mein Glaube, der mich ganz nah zu Jesu Füßen sitzen lässt, mich zum Zuhörer macht – und ich bin drinnen. Zuhören auf das, was er zu sagen hat: Im Gebet und in der täglichen stillen Zeit – bei ihm drinnen zu seinen Füßen sitzen. Meine Berufung in den hauptamtlichen Dienst endet, nicht aber meine Berufung in die Nachfolge Jesu. Ich bleibe Diakon auf Lebenszeit – ich bleibe drinnen.

Noch ein paar persönliche Worte.
1967 habe ich das Haus meiner Familie verlassen, um dem deutlichen Ruf Gottes zu folgen und mich zurüsten zu lassen für den hauptamtlichen Dienst im Reich Gottes. Es war von Anfang an ein klarer Weg, hin zu den Menschen, zu Kindern, die nicht mehr in ihren Familien leben konnten, zu Kranken, die gewaschen und gebadet werden mussten, die Pflege und liebevolle Zuwendung brauchten. Hin in verschiedene Gemeinden, zum Lob Gottes, hin alten Menschen, zu Trauernden und Sterbenden, zu Konfirmanden und Religionsunterricht, zu Paaren, die heiraten wollten.

Ich durfte in all den Jahren und in den verschiedensten Aufgaben viel dazulernen, oft unter Tränen an mir arbeiten, weil ich nicht so war, wie ich sein wollte – weil ich versagt hatte. Manches ist gelungen, manches habe ich versäumt. Von Herzen schmerzt mich, wo ich an anderen schuldig geworden bin und das lösende Wort nicht gesucht oder gefunden habe. Ich lege es vor Gott und dieser Gemeinde hin und bitte um Vergebung. Aber ich bin dankbar für den Weg, den Gott mich geführt hat. Ich bin dankbar für die guten und schweren Zeiten. Am meisten hat mich der Verlust meiner Gisela getroffen, die mir, trotz ihrer eigenen Bedürftigkeit, große Stütze und Halt war, weil ich sie immer mit ihren Gebeten hinter mir wusste.

Ich bin Gott dankbar für Cristin, die mit viel Glauben und großer Liebe den Weg mit mir weitergeht. Dankbar bin ich für die Gemeinde hier, die mich vom ersten Tage angenommen und in den dunklen Stunden durchgetragen hat. Dankbar bin ich für meine Kollegen, ganz besonders für Ute, die mit mir gemeinsam vor acht Jahren in den Dienst bei St. Paul eingeführt wurde. Dankbar bin ich für Martin, für seine Ermutigungen und so manches erquickende Gespräch über unseren Glauben und den Weg unserer Gemeinde. Dankbar bin ich für Siegfried, dem stillen Diener, hier, in der Kirche, und drüben im Gemeindehaus, der mir, zusammen mit seiner Familie, immer ein guter Freund und Begleiter war. Ich kann mit großer Dankbarkeit auf St. Paul zurückblicken und das, was mich mit Zorn erfüllt, das soll bei Gott, in seiner Vergebung Frieden finden.

Wer Gottes Willen tut, der ist mein Bruder und meine Schwester und meine Mutter. So endet der heutige Predigttext und so endet auch meine Predigt. In diesem Sinne habe ich viele Brüder und Schwestern hier, in dieser Gemeinde, aber auch an den andern Orten in Bayern gefunden. Wir werden uns wieder im Gottesdienst sehen und irgendwo sonst über den Weg laufen. Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre eure Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen.

27.05.2011

Die Wüste weint ...

Ansprache zum Beichtgottesdienst vor der Konfirmation 2011

Liebe Konfirmandinnen und Konfirmanden,
liebe Eltern und Angehörige unserer Konfirmandinnen und Konfirmanden
liebe Gäste,
liebe Gemeinde,

eine alte Geschichte aus Nordafrika erzählt von einem Beduinen, der sich immer wieder der Länge nach auf den Boden legt und sein Ohr in den Wüstensand drückt. Stundenlang horcht er in die Erde hinein. Verwundert fragt ihn ein Missionar: „Was machst du da eigentlich auf der Erde?” Der Beduine erhebt sich und antwortet: „Freund, ich horche, wie die Wüste weint, sie möchte so gerne ein Garten sein!”

Wenn wir, wie der Beduine, stille werden, unsere Ohren auftun, nach innen richten, dann können auch wir die Wüste weinen hören. Die Wüste in uns, weil wir ein blühender Garten sein möchten. Die Wüste der Einsamkeit in uns weint, weil wir so gerne ein Garten der Begegnung sein möchten. Die Wüste der Ungeduld weint, weil sie so gerne ein Ort der Ruhe und der Langmut sein möchte. Die Wüste aus Verzweiflung weint, sie möchte so gerne ein Garten der Hoffnung sein. Die Wüste der Schuld weint, sie möchte so gerne ein Garten der Vergebung sein. Die Wüste des Sterbens weint, sie möchte so gerne ein Garten des neuen Lebens sein.

Wenn wir mutig sind, uns trauen hinzuschauen und hinzuhören, dann können wir viel Wüste in uns entdecken. Zeiten, wo wir kein blühender Garten sind, oft nur mit uns selbst beschäftigt. Zeiten, in denen uns nur wenig zu gelingen scheint. Zeiten in denen wir uns innerlich ausgetrocknet fühlen. Diese Wüstenzeiten ängstigen und blockieren uns. Wir leiden, spüren das Trostlose, das Unfruchtbare in uns. Eigentlich möchten wir doch ganz anders sein: Ein bunter blühender Garten, an dem wir und andere sich erfreuen können. Ein fruchtbarer Garten, so wie ihn sein Schöpfer gedacht und wunderbar gemacht hat. Er hat ihn mit so vielen Gaben und Begabungen ausgestattet.

Liebe Konfirmandinnen und liebe Konfirmanden, liebe Eltern und Paten, liebe Gäste und Gemeindeglieder, ihr seid solch ein wunderbarer, von Gott erdachter Garten. Nein, bestimmt keine Wüste. Ihr habt Begabungen und Fähigkeiten mitbekommen, mit denen ihr wuchern dürft. Und ich denke, dass in euch noch viel mehr an Wunderbarem schlummert, verborgen, unerkannt, jetzt noch gar nicht zu sehen. Vieles, das sich in den nächsten Jahren noch entwickeln wird. Wunderbar seid ihr, von Gott erdacht und gemacht.

Da ist aber auch Wüste in uns, das, was Leben in Gefahr bringt, das, was unser Leben oft so fruchtlos und freudlos macht. Wüste, die uns innerlich verbrennt und vertrocknen lässt und vom Leben wegbringt. Wir fühlen das, es macht uns unruhig und unglücklich, denn eigentlich sehnen wir uns danach ein blühender Garten zu sein, in dem es wächst und gedeiht. Ein blühender Garten, der uns Freude schenkt, der uns die Erfahrung machen lässt, geliebt und angenommen zu sein.

Und so sind wir auf der Suche. Oft ganz unbewusst. Wir suchen, den blühenden Garten: die Ruhe, den Frieden, die Freude, die Anerkennung, das Angenommensein. Kurz gesagt: Das, was meinem Leben Halt und Glück schenkt. Aber wo sollen wir suchen? Es gibt so viele Angebote, die uns locken, die ihre Hände nach uns ausstrecken. - Viele geben auf, weil sie nicht finden, leben so weiter – unglücklich, mit der großer Sehnsucht im Herzen nach dem, den wir Vater nennen dürfen – den Gott mit den vielen Namen. Den Gott, den wir im Konfirmandenunterricht immer wieder miteinander gesucht haben: den Gott der Barmherzigkeit, den liebenden, geduldigen, vergebenden Gott. Den Gott der uns bei unserem Namen gerufen hat und dessen Kind wir durch die Taufe geworden sind. Es ist der Gott, der unsere Lebens-Wüste mit neuem Leben erfüllen kann. Er, der Liebhaber des Lebens, der uns dazu verhelfen will, dass wir leben, richtig leben. Der Gott, der nicht will, dass sich die Wüste in uns ausbreitet und bestimmend wird.

Dieser barmherzige, liebende, geduldige und vergebende Gott lädt uns heute zu sich ein: „Kommt her zu mir alle, die ihr mühselig und beladen seid, ich will euch erquicken“. Bei ihm dürfen wir die Wüste in uns lassen, damit Fruchtbares wachsen kann.

Wenn es in der Wüste regnet, dann wird daraus ein grünender und blühender Garten. Und so will das, was wir nachher in der Beichte und im Abendmahl mit einander tun, eine Einladung Gottes sein – ein warmer Regenguss in der Wüste. Wasser für eine verdurstende Seele. „Ich will heute bei dir einkehren“, sagt Jesus zum Zöllner Zachäus. Er macht ihm keine Vorwürfe, lehnt ihn nicht ab, trotz allem was er in seinem Leben falsch gemacht und verbrochen hat. Jesus lädt sich bei ihm ein, kommt ihm, dem Sünder, nahe.

Heute lädt sich Jesus auch bei uns ein. In der Beichte und im Heiligen Abendmahl will er bei uns einkehren, damit wir Vergebung erfahren. Wir dürfen das loslassen was uns belastet und quält. Wir dürfen neu anfangen – mit ihm.

„Freund, ich horche, wie die Wüste weint, sie möchte so gerne ein Garten sein!” das war die Antwort des Beduinen. Hören wir doch die Tränen der Wüste in uns – sie möchte so gerne ein Garten sein. Amen.

Es ist der Herr

Predigt am Sonntag Quasimodogeniti
1. Mai 2011

Johannes 21, 1-14

Liebe Gemeindeglieder,
liebe Schwestern und Brüder,

1. In dieser Nacht fingen sie nichts

„In dieser Nacht fingen sie nichts!“ Petrus und einige der Jünger waren nicht in Jerusalem geblieben wie die anderen Jünger, sondern zurück in ihre Heimat gegangen, an den See Tiberias. Dort gingen sie wieder ihrem Beruf als Fischer nach, nachdem die Geschichte mit Jesus vorüber war. Jesus gekreuzigt, gestorben, begraben. Petrus erinnert sich immer wieder daran, wie ihn die Frauen erschreckten. Sie hatten eigenartige Geschichten erzählt, dass das Grab leer sei und ihnen Jesus begegnet war. Schnell war er zum Grab gelaufen und welch ein Schreck: Es war leer. Warum, weshalb, wie konnte das sein – Jesus war doch tot, richtig tot. Die Gedanken drehten sich in seinem Kopf – er konnte nicht verstehen.

Aber Fische fangen, das konnte er noch, das war doch sein Beruf. Und dann das: Die ganze Nacht war er mit den anderen draußen auf dem See und sie hatten keinen einzigen Fisch gefangen. Es erinnerte ihn an damals, als ihm Jesus zum ersten Mal begegnet war. Da war er auch die ganze Nacht auf dem See und hatte nichts gefangen. Die Erinnerung daran schmerzte Petrus. Wenn Jesus jetzt hier wäre, dann könnte es wieder so sein wie damals, als sie, weil ER es gesagt hatte, am helllichten Tag nochmal hinausfuhren, obwohl jeder Fischer weiß: kein Fisch geht da ins Netz. Aber sie fingen so viele Fische, dass die Netze zerrissen. Ja, Jesus müsste da sein. Aber das ist vorbei. Endgültig vorbei – Jesus ist tot und sein Leichnam geklaut oder sonst was.

Hören wir die Geschichte, die unser Predigttext erzählt. Er steht bei Johannes im 21. Kapitel:

2. Text

Jesus offenbarte sich abermals den Jüngern am See Tiberias. Er offenbarte sich aber so: 2 Es waren beieinander Simon Petrus und Thomas, der Zwilling genannt wird, und Nathanael aus Kana in Galiläa und die Söhne des Zebedäus und zwei andere seiner Jünger. 3 Spricht Simon Petrus zu ihnen: Ich will fischen gehen. Sie sprechen zu ihm: So wollen wir mit dir gehen. Sie gingen hinaus und stiegen in das Boot, und in dieser Nacht fingen sie nichts. 4 Als es aber schon Morgen war, stand Jesus am Ufer, aber die Jünger wussten nicht, dass es Jesus war. 5 Spricht Jesus zu ihnen: Kinder, habt ihr nichts zu essen? Sie antworteten ihm: Nein. 6 Er aber sprach zu ihnen: Werft das Netz aus zur Rechten des Bootes, so werdet ihr finden. Da warfen sie es aus und konnten's nicht mehr ziehen wegen der Menge der Fische. 7 Da spricht der Jünger, den Jesus liebhatte, zu Petrus: Es ist der Herr! Als Simon Petrus hörte, dass es der Herr war, gürtete er sich das Obergewand um, denn er war nackt, und warf sich ins Wasser. 8 Die andern Jünger aber kamen mit dem Boot, denn sie waren nicht fern vom Land, nur etwa zweihundert Ellen, und zogen das Netz mit den Fischen. 9 Als sie nun ans Land stiegen, sahen sie ein Kohlenfeuer und Fische darauf und Brot. 10 Spricht Jesus zu ihnen: Bringt von den Fischen, die ihr jetzt gefangen habt! 11 Simon Petrus stieg hinein und zog das Netz an Land, voll großer Fische, hundertdreiundfünfzig. Und obwohl es so viele waren, zerriss doch das Netz nicht.
12 Spricht Jesus zu ihnen: Kommt und haltet das Mahl! Niemand aber unter den Jüngern wagte, ihn zu fragen: Wer bist du? Denn sie wussten, dass es der Herr war.
13 Da kommt Jesus und nimmt das Brot und gibt's ihnen, desgleichen auch die Fische. 14 Das ist nun das dritte Mal, dass Jesus den Jüngern offenbart wurde, nachdem er von den Toten auferstanden war.

2. Habt ihr nichts zu essen?

„Habt ihr nichts zu essen?“ Seltsame Frage des Fremden, der am Ufer steht und sieht, dass sie nichts gefangen haben. Beiläufig und einsilbig ist ihre Antwort, ohne ihn weiter zu beachten: „Nein!“ Sie sind ohne einen einzigen Fisch zurückgekommen. Aber der Fremde lässt sich nicht beirren: „Werft das Netz aus zur Rechten des Bootes, so werdet ihr finden.“ Und es wiederholt sich, was Petrus schon einmal erlebt hat – damals: „Da warfen sie das Netz aus und konnten's nicht mehr ziehen wegen der Menge der Fische“. Johannes, der Lieblingsjünger Jesu, begreift als erster was hier geschieht und wer der ist, den sie kaum beachtet hatten: „Es ist der Herr!“

3. Es ist der Herr

Liebe Schwestern und Brüder, auch heute ist uns Jesus oft ganz nahe und wir erkennen ihn nicht. Vielleicht sind wir auch zu beiläufig und in gewisser Weise einsilbig. Verwundert und erstaunt denken wir vielleicht an unseren Schutzengel, meinen „Glück gehabt“, können uns nicht erklären was geschehen ist und sprechen vom Zufall. Aber ER war da, er, der Herr!

Und er ist uns nahe in unserem Nächsten, der allein nicht mehr weiterkommt; Menschen an seiner Seite braucht, die sich seiner annehmen. „Es ist der Herr“, der sich erbarmt und nicht nur zuschaut. „Es ist der Herr“, der unsere Hände braucht als seine Hände, der unsere Liebe und unser Erbarmen braucht, als seine Liebe und sein Erbarmen. „Es ist der Herr“, der uns nahe kommt in einem Menschen, an dem wir nichts mehr menschliches und menschenwürdiges erkennen können. Menschen, vor denen wir uns ekeln, Menschen, die voller Bosheit und Gewalt sind, Menschen, betrunken, voller Gier, getrieben von Sucht, gefangen in ihrem Elend. „Es ist der Herr“, der uns in ihnen begegnet.

4. Das Netz reißt nicht, es hält

Als Petrus klar wird, dass es der Herr ist, den er verleugnet hat, ja geschworen hat, ihn nicht zu kennen, da hält ihn nichts mehr zurück. Er muss hin zu ihm – und zwar so schnell als möglich. Es brennt in seinem Herzen. Er zieht sein faltiges Obergewand an, das umgelegt und mit einem Gürtel zusammengehalten wurde, denn er wollte nicht mit nacktem Oberkörper vor seinen Herrn treten. Dann springt er ins Wasser, obwohl das Schiff schon fast das Land erreicht hatte und watet so schnell es geht ans Ufer zu Jesus. Dort, bei ihm, ist der Ort für sein schlechtes Gewissen, die Not seiner Seele.

Inzwischen ist auch das Boot mit den anderen Jüngern und dem Netz voller großer Fische an Land. Es waren 153. Sie hatten einen reichen Fang gemacht. Welch ein Überfluss, vielleicht aber auch Zeichen, dass noch viele Menschen zum Mahl erwartet werden. Johannes erzählt: „Und obwohl es so viele waren, zerriss doch das Netz nicht“.

Es sind viele, die den von Jesus in die Welt hinausgesandten Jüngern glauben, durch ihr Wort, durch ihr Zeugnis, zum Glauben an Jesus kommen. Viele in aller Welt. Und diese Vielen zerren ganz schön am Netz des Glaubens, aber das Netz reißt nicht, es hält.

Manchmal machen wir uns Sorgen, ob das Netz des Glaubens an den Auferstandenen auch bei uns hier in Deutschland hält. Nicht einmal ein Drittel der bei uns lebenden Menschen nehmen den Auferstehungsglauben noch für sich in Anspruch. Er ist für viele bedeutungslos geworden und doch ist er das Zentrum unseres Glaubens: „Der Herr ist auferstanden! – „Er ist wahrhaftig auferstanden!“ Das Netz reißt nicht, es hält.

Wir machen Erfahrungen von Ermüdung, schwindender Hoffnung, ausbleibenden Missionserfolgen, Streit über Konzepte und Kompetenzen, Entscheidungen für eine bestimmte Seite gegen eine andere u.ä. gehören ebenso zum gegenwärtigen Gemeindealltag, wie Erfahrungen unerwarteter Hilfe, mutmachender Herausforderungen, glaubensstärkender Vielfalt und ökumenischer Einigkeit.

Trotzdem, das Netz reißt nicht, es hält.

5. Kommt, haltet das Mahl – sie wussten, dass es der Herr war.

„Sie wussten, dass es der Herr war!“ „Als sie nun ans Land stiegen, sahen sie ein Kohlenfeuer und Fische darauf und Brot.“ Jesus hatte das Mahl bereitet und aß mit ihnen Brot und Fische. Niemand hatte etwas dazugetan und geholfen. Sie wussten, dass es der Herr war, obwohl ihn niemand gefragt hatte. Die von den Jüngern gefangenen Fische waren nur die Zugabe.

Wie oft meinen wir, dass wir es schaffen müssen Gemeinde zu bauen. Ich weiß nicht, ob wir dabei nicht manchmal unserem Herrn kräftig ins Handwerk pfuschen, weil wir ihn nicht machen lassen. Weil wir vergessen haben, dass er es ist, der Gemeinde baut. „Ohne mich könnt ihr nichts tun“ , hatte Jesus sehr ernst seinen Jüngern gesagt. Was wir können und tun ist nur Zugabe. Wir dürfen ihn machen lassen und hoffen und glauben, dass er es tut. Glaube wächst, weil Gott durch sein Wort zu uns spricht, weil er zu unserem Herzen und in unser Gewissen hineinspricht. Unsere Aufgabe ist: „Kommt, haltet das Mahl!“ Wir müssen nicht kochen. Jesus hat das Mahl zubereitet – er hat die Menschen zubereitet, dass sie glauben können. „Kommt haltet das Mahl!“ Dort ist zu finden, was der Mensch braucht: Vergebung seiner Schuld, Heilung seiner Gottesferne, Gottes Nähe und Freundlichkeit.

„Kommt haltet das Mahl!“ Wir tun das im Heiligen Abendmahl, das Jesus für uns bereitet hat. Wir tun das aber auch immer wieder, indem wir von Jesus erzählen und andere mit seinem lebendigen Wort stärken und seinem Glauben Nahrung geben, damit dieser wachsen kann und in Jesus festen Halt und Tiefe findet. Amen.

Hilf dir selbst

Predigt Karfreitag 2011
Lk 23, 33-49

33 Als sie an die Stätte kamen, die da heißt Schädelstätte, kreuzigten sie ihn dort und die Übeltäter mit ihm, einen zur Rechten und einen zur Linken. 34 Jesus aber sprach: Vater, vergib ihnen; denn sie wissen nicht, was sie tun! Und sie verteilten seine Kleider und warfen das Los darum. 35 Und das Volk stand da und sah zu. Aber die Oberen spotteten und sprachen: Er hat andern geholfen; er helfe sich selber, ist er der Christus, der Auserwählte Gottes. 36 Es verspotteten ihn auch die Soldaten, traten herzu und brachten ihm Essig 37 und sprachen: Bist du der Juden König, so hilf dir selber!
38 Es war aber über ihm auch eine Aufschrift: Dies ist der Juden König. 39 Aber einer der Übeltäter, die am Kreuz hingen, lästerte ihn und sprach: Bist du nicht der Christus? Hilf dir selbst und uns! 40 Da wies ihn der andere zurecht und sprach: Und du fürchtest dich auch nicht vor Gott, der du doch in gleicher Verdammnis bist? 41 Wir sind es zwar mit Recht, denn wir empfangen, was unsre Taten verdienen; dieser aber hat nichts Unrechtes getan. 42 Und er sprach: Jesus, gedenke an mich, wenn du in dein Reich kommst! 43 Und Jesus sprach zu ihm: Wahrlich, ich sage dir: Heute wirst du mit mir im Paradies sein. 44 Und es war schon um die sechste Stunde, und es kam eine Finsternis über das ganze Land bis zur neunten Stunde, 45 und die Sonne verlor ihren Schein, und der a Vorhang des Tempels riss mitten entzwei. 46 Und Jesus rief laut: Vater, ich befehle meinen Geist in deine Hände! Und als er das gesagt hatte, verschied er. 47 Als aber der Hauptmann sah, was da geschah, pries er Gott und sprach: Fürwahr, dieser ist ein frommer Mensch gewesen! 48 Und als alles Volk, das dabei war und zuschaute, sah, was da geschah, schlugen sie sich an ihre Brust und kehrten wieder um. 49 Es standen aber alle seine Bekannten von ferne, auch die Frauen, die ihm aus Galiläa nachgefolgt waren, und sahen das alles.



Liebe Gemeindeglieder,
liebe Schwestern und Brüder,

1. Hilf dir selbst

„Hilf dir selbst!“ Dreimal hören wir das in der Erzählung des Arztes Lukas, der dabei ist und zusieht, wie ein Mensch einen schrecklichen Tod am Kreuz stirbt. Dreimal: „Hilf dir selbst!“ Menschen die sich schlecht benehmen, die Spott treiben mit einem der Todesqualen leidet und in wenigen Stunden den Tod durch Ersticken erleidet. „Und das Volk stand da und sah zu.“ Steht da und schaut betroffen zu - erbarmungslos, ohne Erbarmen.

2. Zuschauen

Zuschauen! Wir kennen das. Gaffer, die sich nicht sattsehen können an einem Unglück. Gaffer, die sich nicht sattsehen können am Grauen, am undenkbaren. Gaffer, die alles ganz genau sehen müssen - die Not anderer. Gaffer die behindern, statt zu helfen.
Zuschauen! Da ist einer gefallen, hat etwas getan, was man besser nicht tut, hat anderen geschadet. Nun ist er dran – jetzt wird ihm geschadet – gründlich – und da gibt es keinen „Notausgang“ mehr, damit er seine Würde bewahren kann. Zuschauen und laut oder leise denken: „Das kommt davon! Es geschieht ihm recht!“
Zuschauen! Da wird einer angepöbelt, kurz darauf niedergeschlagen und mit den Schuhen getreten, überall hin – auch ins Gesicht, ohne Rücksicht auf seine Gesundheit. Zuschauen und denken: Nichts wie weg!
Zuschauen! Schweigen, wenn eine Kollegin oder ein Kollege gemobbt wird. Leise denken: „Es gibt Leute, die verdienen so was“ – oder: „Bin ich froh, dass ich in Ruhe gelassen werde.“
Zuschauen! Wenn sich Kinder schlecht benehmen und keine Grenzen kennen.
Zuschauen, nur nicht einmischen. Was geht’s mich an?

3. Gerechtigkeit

Es gibt keine Gerechtigkeit, sagt sie. Ich sitze am Tisch in ihrer Küche. Sie deutet mit dem Kopf auf ein Bild über der Kommode. Er ist im Krieg geblieben. Vier Monate waren sie verheiratet. Eingezogen, Ostfront, noch einmal Urlaub. Dann kein Lebenszeichen mehr. Ihre Tochter, erzählt sie und weint, ist bei einem Autounfall ums Leben gekommen. Seit Jahrzehnten ist sie allein. Kaltes Wohnzimmer, warme Küche. Angelaufene Fenster. Kartoffeln auf dem Gasherd. Sie wischt sich die Brille mit der Schürze.
Es gibt keine Gerechtigkeit mehr. Heute morgen hat sie erfahren, dass man ihr den gepachteten Garten wegnimmt. Nun wird er Firmengelände. Gut, sie tauschen. Aber das ist zu weit weg für mich, am anderen Ende der Stadt. Und noch einmal neu anfangen, mit 71?

Bitter sieht sie aus. Abgeschaffte Hände, abgeschaffte Seele, abgeschafftes Gesicht. Wer hat, der bekommt mehr. Der eine Geld, der andere Sorgen. Sie sagt es nicht ganz so zurückhaltend. Aber bald ist auch das 'rum. Das 'rum? Na ja, 71, sagt sie. Hätte ich einen Mann gehabt, dann hätten sie nicht so mit mir umspringen können.
Drei Wochen später bekommt sie auf der Straße einen Schlaganfall, fällt ungeschickt, stirbt noch am Unfallort. Verwandte sind keine da. Zur Beerdigung werden wenige ältere Frauen aus der Nachbarschaft kommen. Die Ansprache wird kurz sein. „Der Herr ist mein Hirte, mir wird nichts mangeln.“ Keiner, der dem Pfarrer ins Wort und der Organistin in den Arm fällt und sagt: So geht das doch nicht.
Und dann eines von den vielen Gräbern auf dem riesigen Friedhof. Nach Jahren verwildert, wenn sich keine mitleidige Hand findet. Es gibt keine Gerechtigkeit auf der Erde, nicht einmal auf dem Friedhof würde sie sagen.

Die Soldaten nehmen ihre Lanzen, den zerteilten Rock und gehen in die Kaserne. Sie haben ihren »Job getan«. Jesus ist tot. Ordentliche Arbeit, tausendfach erprobt an Juden, später an Christen. Scheintod ausgeschlossen. Auch das muss jemand tun. Wer redet von Moral?
Er ist der Zeuge für Gottes Gerechtigkeit. Immer wieder angekündigt: „... wird er, der Gerechte, den Vielen Gerechtigkeit schaffen“ (Jes 53,11; 11,4f), der Mensch Gottes, der Zeuge der Gerechtigkeit Gottes auf Erden.
Nun hängt er, abgeurteilt nach römischem Recht, gefoltert und gedemütigt am Kreuz zwischen zwei Straftätern. Das ist die Gerechtigkeit, die auf Erden gilt. Wer die Macht hat, setzt das Recht. Der Tod hat das Sagen.
Karfreitag – Tag der Gottverlassenheit des Menschen. Karfreitagswetter, sagte man bei uns zu Hause, wenn es trübe, nasskalt war. Wenn es den ganzen Tag über nie richtig Tag wurde. Karfreitag, der Tag, an dem es nicht Tag wird.

4. Mit Spott prüfen

„Hilf dir selber!“ Da hängt er am Kreuz. Er, der kein Verbrechen begangen hat. Er, der sich um andere sorgt, Müde aufrichtet, Kranke heilt, Tote ins Leben ruft. Er hängt am Kreuz, weil er andere in die Quere kommt, ihre Macht in Frage stellt. Er muss sich mit Spott prüfen lassen: „Er hat andern geholfen; er helfe sich selber, ist er der Christus, der Auserwählte Gottes.“ Durch Schmach und Qual wollen die Oberen des Volkes, die Soldaten und zuletzt einer der mit ihm Gekreuzigten prüfen, ob sein Anspruch, Gottes Sohn zu sein, auch berechtigt ist. Wenn ja, wird Gott ihm helfen.

Gott hängt am Kreuz. Von Menschen hingerichtet, gequält und geschlagen. Abgelehnt und gehasst. Von den Oberen denunziert und verspottet. Sie wollen einen anderen Gott. Am liebsten wären sie selbst Gott. Vielleicht ist das der Grund, warum sie so viel Hass und Spott über den Sohn des allmächtigen und lebendigen Gottes ausgießen. Selbst Gott sein wollen. Das ist bis zum heutigen Tage geblieben. Aber Gott möchte, dass wir ihm vertrauen und annehmen, was er für uns auf Golgatha getan hat. Annehmen, dass er für unsere Schuld mit seinem Blut bezahlt hat, damit wir frei und losgekauft sind von der Macht des Bösen.

5. Der Schächer am Kreuz

Einer der mit Jesus gekreuzigt war hat es verstanden, wer da neben ihm am Kreuz hing und was das für ihn bedeutet. Er hat hingeschaut auf das eigene Leben, auf die eigene Schuld, weist den anderen, der Jesus prüfen wollte, wie die Oberen und Soldaten, zurück: „Und du fürchtest dich auch nicht vor Gott, der du doch in gleicher Verdammnis bist? 41 Wir sind es zwar mit Recht, denn wir empfangen, was unsre Taten verdienen; dieser aber hat nichts Unrechtes getan. 42 Und er sprach: Jesus, gedenke an mich, wenn du in dein Reich kommst! 43 Und Jesus sprach zu ihm: Wahrlich, ich sage dir: Heute wirst du mit mir im Paradies sein.“

Jesus, der leidende und sterbende Gottessohn nimmt sich, trotz der eigenen Qual und Pein, des Verbrechers neben ihm an und verheißt ihm den Lohn des Gerechten. Ihm, der sich seiner Schuld gestellt hat, der bereit war hinzusehen auf sein Leben und es vor Jesus zu bekennen, ihm nimmt Jesus die Schuld ab, legt sie bei sich aufs Kreuz und spricht ihn ledig und frei – vor Gott gerecht.

6. Wir am Karfreitag 2011

Ich denke, dass das auch unseres Sehnsucht ist, heute, am Karfreitag 2011, dass der gekreuzigte und auferstandene Herr und Heiland uns freispricht von all dem was in Gottes Augen keinen Bestand hat. Wir werden nachher Zeit haben, jeder für sich, sein Leben anzuschauen – hinzusehen auf das was uns schmerzt, auf das, was wir besser nicht getan hätten, auf das, was uns von Gott und von anderen Menschen trennt. Hinsehen auf das was Heilung und Vergebung braucht. In der Beichte und dem Heiligen Abendmahl, das wir anschließend feiern, bietet uns Gott die Vergebung unserer Schuld und einen Neuanfang an.

Und der Friede Gottes bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen.

27.03.2011

Den Seinen gibts der Herr im Schlaf

Predigt Markus 4, 26-29

Liebe Schwestern und Brüder!

1. Hinführung zum Thema

Wir erleben gegenwärtig eine harte Zeit in der Kirche und in der Gesellschaft. Es herrscht ein rauher Wind. Überall ist das Geld knapp geworden, trotz eines neuen „Wirtschaftswunders“ von dem die Wirtschaft und andere Fachleute sprechen. Es müssen Schuldenberge, die schwindelnde Höhen erreicht haben, zurückgezahlt werden. Einige Staaten in Europa stehen am Rand der Staatspleite. Es herrscht bei vielen Angst, dass der Euro zu wertlosem Papier wird.

Monatelang streitet Regierung und Opposition über die vom Verfassungsgericht angemahnte Neuberechnung des Hartz IV-Gesetzes – dann haben sie sich geeinigt – und nun doch wieder nicht. Der Bürger fragt sich, ob die Regierung noch handlungsfähig ist, wenn sie Verhandlungen regelmäßig ohne Ergebnis vertagt, bzw. das Ergebnis nicht länger als wenige Stunden hält. In den letzten Tagen kann man hören, dass viele Kommunen an der Grenze ihrer Zahlungsfähigkeit angelangt sind, wegen hoher Sozialausgaben.

Unser soziales Miteinander scheint mehr und mehr dem Egoismus Einzelner und den Interessen bestimmter Gruppen gewichen. Die Folge: Reiche werden immer reicher und Arme immer ärmer. Für die Rettung von Banken, die Milliarden verzockt haben, stehen Unsummen bereit, für Kindergärten, Schulen und Universitäten ist das Geld knapp. Und nach dem großen Bankencrash wird munter weitergezockt und so getan als sei nichts gewesen.

Der raue Wind ist auch in der Kirche zu spüren. Missbrauch auch bei uns, in der Nachbarschaft. Die Gemeinden werden immer kleiner. Es werden mehr Menschen beerdigt als getauft. Die Kirchenaustrittszahlen halten unvermindert an. Für viele gehört es zum guten Ton nicht mehr in der Kirche zu sein, obwohl sie sich als gläubige Menschen sehen. Längst lassen sich nicht mehr alle jungen und getauften Christen konfirmieren. Nach der Konfirmation ist für die meisten Pause. Wenige bleiben aktiv dabei. Ich mache mir Sorgen und Gedanken, wie aus diesen jungen Menschen gestandene Christen werden, wenn sie nicht zu Bibellesern werden, in den Gottesdienst und in die Gemeinde kommen, wenn sie leben wie die, die nichts vom liebenden Gott gehört haben.

2. Predigttext

In diese bedrückende Situation hinein hören wir den heutigen Predigttext. Ein Wort Jesu, aus dem hoffnungsvolle Stimmung klingt, auch wenn er in einem heftigen Kontrast zu unserer Lebenswirklichkeit steht. Er steht geschrieben im Evangelium des Markus im 4. Kapitel:

Jesus sprach: Mit dem Reich Gottes ist es so, wie wenn ein Mensch Samen aufs Land wirft
27 und schläft und aufsteht, Nacht und Tag; und der Same geht auf und wächst - er weiß nicht, wie. 28 Denn von selbst bringt die Erde Frucht, zuerst den Halm, danach die Ähre, danach den vollen Weizen in der Ähre. 29 Wenn sie aber die Frucht gebracht hat, so schickt er alsbald die Sichel hin; denn die Ernte ist da.


3. Wie von selbst ...

So mancher Landwirt oder Hobbygärtner mag sich über diesen Text ärgern. Samen in die Erde, das war’s. Der Rest geschieht von allein. Jetzt muss man nur noch zusehen, es wächst von allein. Da steht nichts vom Gießen oder vom Düngen, da steht nichts vom Unkraut jäten und beschneiden. Es geschieht von selbst. Aber ist das wirklich so? Wir sehen doch die schwere Arbeit eines Landwirts oder wie der Gärtner den Rücken krumm machen muss, damit er einen guten Ertrag hat. In unserem Gleichnis legt man sich aufs Ohr und lässt es einfach wachsen, lässt den Wachstumskräften freien Lauf – das wird dann schon. Aber geht das wirklich so? Oder fehlt uns dazu nur die nötige Gelassenheit, das Zutrauen, dass es auch ohne uns geht? Was will uns das Gleichnis Jesu sagen, was sollen wir daraus lernen?

4. Wort Gottes – der gute Samen

Ich stelle mir das bildlich vor: Der Prediger auf der Kanzel der St. Paulskirche ist der, der den guten Samen des Wortes Gottes unter die Menschen wirft. Er hat sich vorbereitet, hat Gottes Wort sprechen lassen und jedes Wort gewogen, das er der Gemeinde sagen möchte. Und dann, wie geht es weiter? Was kommt dabei heraus? Wächst der Glaube in den Menschen? Wächst die Gemeinde? Entsteht neuer Hunger nach Gottes Wort? Wird die Gemeinde lebendig und dienstbereit? Steigt das Spendenaufkommen, weil die Hand offener wird für die Nöte anderer und die Aufgaben der Gemeinde?

Was bewirkt der Samen, die Predigt? Solche und ähnliche Gedanken beschleichen mich manchmal, weil ich meine es müsste viel passieren, da wir doch einen so wunderbaren Samen in die Herzen der Menschen legen, weil wir doch eine so großartige frohe Botschaft predigen. Und dann träume ich unsere Kirche voll Menschen, sehne mich nach einem Aufbruch, nach einer neuen Ausgießung des Heiligen Geistes. Träume, dass aus den Wenigen die zum Gottesdienst kommen die Vielen werden, die sich nach Gott auszustrecken und von der Sehnsucht nach Gott und seinem Wort ergriffen werden.

Fehlt mir die Gelassenheit Gott zuzutrauen, dass er auch diese, unsere Gemeinde nie aus dem Blick verliert, sie wachsen lässt und erhält? Fehlt mir die Gelassenheit Gott zuzutrauen, dass er sich um all die Menschen kümmert die in unserem Land leben und für jeden das bereithält was er braucht? Hat nicht Gott für jeden dieser Menschen seinen Weg?

Wir werfen den Samen, das Wort Gottes unter die Leute und Gott lässt es wachsen, so unser heutiger Predigttext. So wie der Gärtner, der Landwirt nicht dem Wachstum nachhelfen kann, indem er an den Pflanzen zieht - er würde die jungen Pflänzchen ja nur ausreißen – so können auch die, die Gottes Wort unter die Leute bringen nicht nachhelfen. Gottes Wort muss in den Herzen der Menschen selbst wachsen und sich einwurzeln. Wir dürfen fest darauf vertrauen, dass Gottes Wort nie leer zurückkommt. Gottes gepredigtes Wort wird Frucht bringen. Wir müssen die Frucht nicht schaffen, und wir müssen auch nicht an den jungen, zarten Glaubenspflänzlein ziehen, damit sie schneller wachsen. Gott schafft die Frucht im Leben derer, die sein Wort hören und in ihrem Herzen bewahren.

5. Im Glauben frei

Dr. Martin Luther schrieb einst an seine Frau: „Liebe Katharina, nach einem langen Tag sitze ich bei einem Maß Bier und denke mir, der liebe Gott wird es schon machen!” Dieses kindliche Vertrauen wünsche ich mir auch manchmal: Gott wird es schon machen.

Wie oft meine ich, dass wir es sind, die es machen müssen. Fange an mir Sorgen zu machen über die Zukunft der Kirche und die Zukunft unseres Volkes, das so leichtsinnig die Werte die aus dem Glauben kommen wegwirft. Was ich dabei vergesse ist, dass Gott immer der Wirkende ist, ob wir nun rackern oder ruhen. Wir dürfen das tun, was in unseren Kräften steht, gern, gleich und ganz! Und wir können vertrauen, dass Gott tut, was in seiner Macht steht.

Der Liederdichter Paul Gerhardt wusste was es heißt zu glauben und nicht zu sorgen ob der Samen wohl aufgehen mag. Voller Vertrauen dichtete er: „Bist du doch nicht Regente, der alles führen soll. Gott sitzt im Regimente und führet alles wohl.“

Dieses Vertrauen macht frei! Es macht nicht lässig, aber gelassen, nicht übermütig, aber mutig, nicht träge, aber tragfähig, nicht ängstlich, aber engagiert. Und so konnte der Beter des 127. Psalms beten: „Wenn der Herr nicht das Haus baut, so arbeiten umsonst, die daran bauen. Wenn der Herr nicht die Stadt behütet, so wacht der Wächter umsonst. Es ist umsonst, dass ihr früh aufsteht und hernach lange sitzt und esset euer Brot mit Sorgen; denn seinen Freunden gibt er es im Schlaf!“ „Den seinen gibt’s der Herr im Schlaf.“ Ich liebe dieses Wort. Da steht nämlich nicht: Den Seinen gibt’s der Herr beim Rumrennen und Betrieb machen. Wir müssen nicht eine Aktion nach der anderen starten und möglichst auf allen Hochzeiten tanzen. Das sollen ruhig die anderen machen, die es viel besser können als wir. Unsere Arbeit ist den Samen auszuwerfen. Gott wird dann das Seine dazutun und Wachstum schenken.

Ohne Samen kann nichts wachsen. Darum sind auch Eltern und Großeltern dafür verantwortlich, dass der Same des Wortes Gottes in ihren Kindern eingepflanzt wird. Dass ihre Kinder erfahren und erleben wie christlicher Glaube gelebt wird. Kinder lernen durch das Vorbild ihrer Eltern, nicht durch Druck und Forderungen. Darum dürfen Eltern und Großeltern voll Vertrauen den Kleinen von Jesus erzählen und ihnen den Glauben an den lebendigen und barmherzigen Gott lieb machen, indem sie das leben was sie sagen. Für das Wachstum des Glaubenssamens wird aber Gott sorgen. Wir dürfen darauf vertrauen, dass er das zum Leben erweckt, was wir im Vertrauen auf ihn in unseren Kindern gesät haben.

6. Saat auf Vertrauen

Vor 110 Jahren haben die wenigen Menschen, die damals in der Südstadt gewohnt haben mit viel Glauben eine große Kirche, die größte in Fürth, mitten auf den Acker gestellt – unsere St. Paulskirche. Sie haben das im Vertrauen darauf getan, dass Gott segnen wird, was sie begonnen haben. Um die Kirche hat sich im Laufe der Jahre eine große Gemeinde gesammelt. Die größte Gemeinde hier in Fürth. Unzählige Menschen wurden in ihr getauft und konfirmiert, haben an ihrem Altar geheiratet und das heilige Abendmahl gefeiert. Wenn unsere Vorfahren diesen Glauben nicht gehabt hätten, so würde heute vielleicht eine kleine Kirche hier stehen und nicht das schöne, große, helle Gotteshaus.

Und so wollen wir im selben Glauben und Vertrauen in diesem Jahr unser neues Gemeindehaus neben das Pfarrhaus bauen, in der Hoffnung, dass es von Ihnen, liebe Gemeinde, mit Leben erfüllt werden wird. Wir wollen glauben und vertrauen, dass über viele Generation, das Zusammenleben in diesem Stadtteil durch das neue Gemeindehaus Segen empfängt. Wir können planen und bauen, aber das Wachstum und Gedeihen in dem neuen Haus und in unserer Gemeinde kann nur Gott schenken. So kann ich eigentlich nur um zweierlei bitten:
Das erste ist, dass Sie, liebe Gemeinde, alles Nachdenken und Planen mit ihren Gebeten begleiten.
Als zweites, dass Sie ihrer Gemeinde auch die nötigen finanziellen Mittel (ca. 200.000 €) mit vielen, vielen kleinen und größeren Spenden zur Verfügung stellen, damit es ein einladendes neues Haus unserer Gemeinde werden kann.

7. Die Ernte

In meinem Herzen kann ich kaum den Tag der Ernte erwarten. Das ist dann wenn der Landwirt, der Gärtner sagen kann: „Die Mühe hat sich gelohnt, der Herr hat das Wachstum dazu gegeben.“ Auch in unserer St. Pauls-Gemeinde können wir immer wieder Ernte erleben und erfahren, dass Gott zu dem, was wir oft mit zittern und zagen beginnen und tun, seinen Segen gibt. Unsere St. Paulsgemeinde hat mit ihrer wunderbaren Botschaft von der Liebe Gottes zu den Menschen diesem Stadtteil geprägt. Viele, viele Menschen haben erfahren was es heißt in einer Gemeinde Halt und Gebogenheit zu spüren – und was es heißt sich einzubringen für andere, die Nähe, Geborgenheit, Hilfe und die Gewissheit brauchen, dass sie nicht allein sind, egal in welcher Situation sie sich befinden. Das ist Grund genug, um Gott zu danken, dass er es ist der das Wachstum schenkt. Amen.