13.12.2007

Weihnachtsbrief 2007


Liebe Geschwister,
liebe Freunde,

fast möchte ich meinen Brief beginnen wie alle Jahre: „... und wieder ist ein Jahr vorüber, ein Jahr unseres Lebens. Wir stehen an der Schwelle eines neuen Jahres. Niemand von uns weiß, wie viele neue Jahre ihm noch geschenkt sind“.

Ich empfinde Weihnachten und Jahreswechsel als einen Einschnitt im Wandern durch die Zeit. Sie sind so etwas wie eine kurze Pause, ein Abschließen, ein kurzes Niederlegen der Arbeit, der Gedanken. Atemholen und dann ein Neubeginn – ein neues Jahr. Solch ein Einschnitt lädt ein Zurückzuschauen, um dann den Blick wieder mutig nach vorne zu wenden.

Was war es, was ins in diesem Jahr besonders bewegt hat?

An erster Stelle möchte ich die Geburt unserer Enkeltochter Dorothea nennen, die am 10. Juni geboren wurde. Sie ist unser dritter Enkel. Als Sabine, die ältere Schwester, zum ersten Mal das Neugeborene sah, war das irgendwie ein atemberaubender, ich würde sagen, fast religiöser Vorgang. Sabine stand vor ihrer Mutter, die mit der kleinen Dorothea auf dem Arm vor ihr kniete und betrachtete minutenlang das kleine, neugeborene Kind - staunend, als könnte sie es nicht fassen. Es herrschte atemlose Stille, während Sabine das Bild des kleinen Kindes (das nun ihre Schwester sein sollte und auf die sie sich schon so gefreut hatte) geradezu in sich einsog. Wie gerne hätte ich gewusst, was in diesen Minuten in Sabines Kopf vor sich ging.

Unwillkürlich musste ich an die Hirten von Bethlehem denken, die vor dem Kind in der Krippe knieten und es nicht fassen konnten, was da geschehen ist. Gott wird Mensch! Und ausgerechnet bei ihnen im Stall. Ja, das kann uns fassungslos machen: Gott ist da! Bei uns, bei dir und bei mir und dort, wo niemand mit ihm zu tun haben will – auch bei denen, die ihm aus dem Weg gehen.

Ein tiefer Einschnitt für mich war, dass ich zwei Mal in einem Monat mit Vorhofflimmern in ärztliche Behandlung musste. Zuerst in das Nürnberger Südklinikum und dann ambulant in eine besonders ausgestattete kardiologische Praxis. Dort wurde in Kurznarkose, die nur wenige Minuten dauerte, per Elektroschock mein Herz wieder in den richtigen Schlag gebracht. Dieser schmerzfreie Eingriff löste bei mir psychische Reaktionen aus, die ich bisher nur von Menschen kannte, denen nach Unfall oder Schlaganfall der Kopf geöffnet werden musste. Ich fühlte mich an meinem Lebensnerv getroffen und tief im Innersten verunsichert. Es waren für mich einige Wochen harte Arbeit, bei der mir eine befreundete Psychiaterin half, um damit klar zu kommen.

Vor ein paar Wochen nahm ich, für Radio F in Nürnberg, folgenden Beitrag für ein besinnliches Wort auf: Cristin kam nach ihrer Geburt ins Säuglingsheim. Mit drei Jahren wurde sie adoptiert. Endlich hatte sie ein Zuhause. Als sie 12 war starb die Adoptiv-Mutter an einer schweren Krankheit. Für Cristin brach die Welt zusammen. Sie bat ihren Vater, in dieser schweren Nacht bei ihr zu bleiben und sie nicht allein zu lassen. Er ging weg. Auch Cristin verließ das Haus. Sie ging und betrank sich. Und weil das nicht gegen den Schmerz in ihrem Herzen half, nahm sie Drogen. Sie fühlte sich elend, verlassen, zuerst gewollt und dann weggeworfen. Zehn Jahre brachte sie mit Zigaretten, Alkohol und Drogen zu. Und weil Drogen Geld kosten, ging sie Anschaffen. Sie ertrug ihre geilen Freier ebenso, wie ihre brutalen Zuhälter. Der Ekel über ihr Leben ließ ihr nur noch die Wahl zwischen dem „Goldenen Schuss“ und einer Therapie.

In der Therapie lernte sie den kennen, der nicht wegwirft. Der auch dort ist, wo Elend und Versagen ist. Den, der Neues schaffen kann. Sie fand bei ihm Hilfe, wenn das Verlangen nach Alkohol und Drogen in ihr mächtig wurde und sie sich nach ihr ihrer Vergangenheit sehnte, wo scheinbar alles so cool und leicht war, weil ihr die Drogen den Verstand vernebelten.

Cristin ist seit Jahren ohne Zigaretten, Alkohol, Drogen und Sex. Sie hat Halt in Jesus. Gottes Wort hat in ihrem Herzen eine offene Tür gefunden. Staunend erlebt sie, wie ihr altes Leben Stück für Stück stirbt. Ihre Gewaltausbrüche und die Wut auf sich selbst, machen zunehmend der Liebe, die von Gott kommt, Platz. Gottes liebevolle Barmherzigkeit hat ihr ein neues, von Gott gesegnetes Leben geschenkt.

Ich habe Cristin auf der christlichen Internetplattform Glaube.de kennengelernt, bei der ich, im Rahmen meiner beschränkten zeitlichen Möglichkeiten, als Mitarbeiter tätig bin. Damals hatte Cristin nur einen Wunsch: Ich möchte einen Vater, eine Familie haben. Inzwischen gehört sie zu unserer Familie. Sie wohnt zwar in Lüdenscheid in einer christlichen Wohngemeinschaft, kommt aber, so oft es ihr möglich ist, zu uns nach Nürnberg. Auch Holger und Elisabeth und die Kinder haben sie ins Herz geschlossen. Im September haben wir gemeinsam mit Freunden von Glaube.de ihren 30. Geburtstag gefeiert, mit einer Dankandacht, die sie sich von ganzem Herzen gewünscht hatte und einer anschließenden Feier in einem Lokal. Sie wollte unbedingt an diesem Tag mit Freunden Gott danken, denn sie hätte den 25. Geburtstag wohl nicht überlebt, wenn ER sie nicht aus ihrem Elend herausgeholt hätte.

Das waren wohl die für uns wichtigsten und bewegendsten Ereignisse des Jahres 2007. Gott hat über uns seine Hände gehalten und uns in großer Liebe und Treue Menschen anvertraut, worüber wir sehr dankbar sind.

Wir wünschen Euch allen ein gesegnetes Weihnachtsfest und ein von Gott bewahrtes Jahr 2008.

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