Das Richtige zur rechten Zeit tun
Der Tod eines lieben Menschen bringt denen die zurückbleiben
oft großes Leid. Wir vermissen den Menschen der von uns genommen wurde, er
fehlt uns, wir erfahren das traurig machende Gefühl von Verlassensein. Es
bleiben Fragen, auf die wir keine Antworten finden. Uns quält das „Warum,
weshalb?“ Warum jetzt, warum dieser Mensch? Warum so plötzlich, warum die
Krankheit, warum der Unfall? Allein in unserer Wohnung meinen wir, dass jeden
Moment die Türe aufgehen müsste und der geliebte Mensch herein kommt. Voller
Verzweiflung registrieren wir, dass er nicht kommt, nie wieder. Dieses „nie
wieder“ lässt die Unerbittlichkeit des Todes erfahren, seine Macht, seine
Grausamkeit. Nie wieder werden wir seine Stimme hören, sein Lachen, sein
Weinen, seine tröstenden Worte, die uns oft so stark gemacht haben. Es ist
vorbei. Uns bleiben Erinnerungen an diesen Menschen, Fotos, Gegenstände die uns
zur Erinnerung werden. Und dann will uns dieses schreckliche Gefühl der Einsamkeit
überfallen, dieses „nie wieder“, weg für immer.
Fragen erwachen: Wie wird es weitergehen, die Beerdigung, Freunde verständigen, was muss alles erledigt werden? Später die Frage: Wie geht mein Leben weiter, wer kann mir zur Seite stehen, wer versteht meine Not? Werde ich Alleinsein, wie komme ich damit zurecht? Wie sieht meine finanzielle Situation aus? An wen kann ich mich wenden, wo finde ich Hilfe und Beistand?
„Letztlich hat jede Frau in dieser Zeit ihren ganz eigenen
Weg, der geachtet sein will. Es gibt keine allgemeine Gültigkeit,“ meint Lilo Meier (alle Namen geändert) als wir uns über dieses Thema austauschen, „da kann jeder nur
für sich sprechen. Es ist ein Thema, welches viel Behutsamkeit und Respekt
verlangt, weil es bis in die Tiefe anrührt“. Für Lilo Meier ist Einsamkeit
nicht mit Verlassenheit gleichzusetzen. „Einsamkeit kann auch zu einem Ort der
Heilung werden, weil sie mit der ganzen Wirklichkeit des Abschieds
konfrontiert, das ist Schmerz. Dieser will durchlebt und angenommen sein.“
„Jede Frau und jeder Mann erlebt das Sterben des Partners,
seiner Partnerin und das was danach kommt, anders“, gibt Gudrun Mechalke aus
L. zu bedenken.
„Für längere Zeit brauchst du einen Menschen, mit dem du
reden kannst, der dir zuhört, dem du deine Gedanken zu deinem Verlust und den
Dingen des täglichen Lebens sagen kannst. Solche Menschen habe ich immer wieder gefunden,“ beschreibt sie ihre
Erfahrungen beim Verlust eines nahen Menschen, „man muss auf Menschen zugehen,
Initiative ergreifen“. Diese Initiative hat Gudrun, aufgrund ihrer eigenen
Erfahrungen, wenige Jahre später mir gegenüber wahrgenommen. Als meine Frau
wochenlang als Sterbende im Koma lag, rief sie mich beinahe jeden Tag an um zu
hören wie es ihr und mir geht. Dank dafür! Dankbar bin ich auch Nikolaus
und seiner Frau, die beiden Nachbarn aus S., die in dieser schweren Zeit
eine Kerze mit der damaligen Jahreslosung an meine Wohnungstüre gehängt hatten:
Jesus Christus spricht: Ich lebe und ihr sollt auch leben.
Das war Balsam für meine zutiefst verwundete Seele. Am Abend, wenn ich einsam
in unserer Wohnung saß, zündete ich diese Kerze an, als Zeichen der Hoffnung,
so wie damals nach dem Krieg Frauen brennende Kerzen für ihre vermissten Männer
in die Fenster stellten.
Christine Müller, seit 2005 verwitwet, fühlt sich nicht
vergessen oder allein gelassen. Sie wohnt in einer wunderschönen Seniorenanlage
in Z. und pflegt regelmäßige Kontakte zu anderen Frauen, die ihre
Männer auch bereits hergeben mussten. Ganz besonders wichtig sind ihr aber auch
die Kontakte zu ihrer Gemeinde, „man kennt sich“, meint Christine. „Nach
dem Gottesdienst spricht man miteinander. Ich interessiere mich, wie es anderen
geht.“ Was ihr erzählt wird nimmt sie die Woche über in ihr persönliches Gebet.
„nicht alle haben es so gut wie ich“, meint sie, „manche können nicht allein
sein, ertragen die leere Wohnung nicht“.
Hilfreich wird erlebt, dass wir mit
einander sprechen. Da sein, zuhören, auf einander zugehen, das hilft Menschen
in Trauer. Weniger hilfreich sind die „guten Ratschläge“ und so manches
„frommes“ Gerede, das oft mehr Schmerzen als Hilfe vermittelt. Wer einen
Menschen verliert kann sehr einsam werden, weil sich andere nicht trauen auf
ihn zuzugehen. Es wird befürchtet zu stören oder als neugierig zu gelten. Der
Umgang mit Trauernden verlangt Feingefühl um das Richtige zur rechten Zeit zu
tun.
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